Maritim wohnen im Lotsenturm von Karnin: Nicht nur für Wasserratten interessant. Foto: (c) nass-press.
Einmal Seemann, immer Seemann, meint mein Freund Hein. Viel ist der alte Salzbuckel herumgekommen in seinem Leben auf den Meeren dieser Welt. Auch auf dem Stettiner Haff war er mit seinem Schiff öfter unterwegs. Das sei allerdings schon eine ganze Weile her, gibt er zu. Dann sei der Krieg gekommen, und am Ende sei jeglicher Schiffsverkehr auf dem größten deutschen Brackwassergebiet zum Erliegen gekommen.
Er könne sich noch gut an den alten Lotsenturm erinnern, träumt Hein so vor sich hin, tief in sein Bierglas schauend. Der stand ? und steht immer noch ? direkt hinter der legendären Haffschänke von ?Vadder Genz? in Karnin, nicht weit entfernt von der alten Eisenbahnbrücke. Mit dem Niedergang des Schiffsverkehrs habe der Lotsenturm jedoch seine ursprüngliche Bedeutung verloren, bedauert Hein. ?Anfangs noch vom Seehydrografischen Dienst der DDR verwaltet, wurde er später von der Nationalen Volksarmee sporadisch als Signalstation bei Schießübungen auf dem Haff benutzt?, erinnert er sich genau, 1988/89 habe dann eine erste umfangreiche Rekonstruktion des Turmes stattgefunden.
Ob er sich vorstellen könne, in dem Turm mal zu wohnen? ?Nee, warum auch??, kommt seine Antwort prompt. Er habe doch seinen ?Döspaddel?, solange der alte Holzkahn nicht abgesoffen sei, wohne er eben dort. Bis zu seinem Lebensende. Amen. Was er denn davon hielte, dass andere Leute, die teils extra von weither angereist kämen, in diesem Turm auf Zeit wohnen würden? Denn, und da weist Heins universales Wissen eine klaffende Lücke auf: Seit April 2008 ist Karnin am Stettiner Haff um eine maritime Attraktion reicher. Seitdem kann nämlich, wer will und das nötige Kleingeld übrig hat, stilecht und maritim in dem alten Lotsenturm gleich hinter der Haffschänke wohnen (Motto: ?Das sollten Sie mitbringen: ipod, gutes Buch, liebsten Menschen?).
Maximalbelegung: zwei Personen. Die Berliner Architektin Heike Wittenbecher kaufte den Turm 2007, plante den Umbau selbst und ließ ihn aufwändig renovieren. Herausgekommen ist ein Schmuckstück mit Whirlpool im Erdgeschoss, TV-Lümmelliege in der ersten und einem gemütlichen Bett mit gut gefüllter Minibar in der dritten, der obersten Etage ? mit einem fantastischen Rundumblick auf das Kleine Haff.
Dieser Aussicht wegen wurde der Karniner Turm 1938 schließlich auch errichtet: Swinemünder Lotsen gingen nach dem Passieren der Kaiserfahrt (heute: Kanal Piastowski, verbindet das Haff mit der Ostsee bei Swinoujscie) an dieser Stelle von Bord, und hier wechselten sie sich auch mit den Karniner Lotsen ab. Die lenkten die Schiffe dann durch die Eisenbahnbrücke, die Peene und den Kummerower See bis nach Malchin oder über den Peenestrom bis Wolgast. Zurück ging es für die Lotsen dann jeweils mit dem Zug.
Nun, vorstellen könne er sich das schon, mal in dem Turm zumindest für eine Nacht zu schlafen, sagt Hein. Zwar wisse er nichts mit so neumodischem Zeugs wie einem Whirlpool anzufangen, seine Aluminiumschüssel an Bord habe schließlich bisher immer seine Wasch-Zwecke gut erfüllt, aber bei dem Wort Minibar ist er gleich hellhörig geworden. Nur die 76 Stufen, welche erklimmen muss, wer die Turmstube und die äußere, 1,10 Meter breite Aussichtsfläche betreten will, sind ihm eindeutig zuviel. Dann doch lieber der Döspaddel, da gebe es schließlich keine Stufen, meint Hein.
Viele Gäste scheinen das ganz anders zu sehen: Sie lassen sich selbst von dem Preis von 220 Euro pro Nacht (Wochenende und an Feiertagen: 250) nicht abschrecken, denn das Idyll für Zwei ist auf lange Sicht ausgebucht. Zwar schwimmt die Behausung auf Zeit nicht, doch man kann ganz dicht auf eigenem Kiel heranfahren und an den frisch entschlammten Stegen im Nordwesten des kleinen Hafens festmachen. Und: Schließlich ist man dann hinter den bis zu 1,3 Meter dicken Mauern auch garantiert ungestört (www.lotsenturm-usedom.de, Tel. 030-89093351). Und das habe doch etwas, meint nicht nur Ihr Matt.Müncheberg, info@muencheberg-media.com.
Sie haben schon im alten, neuen Lotsenturm von Karnin gewohnt? ? Schildern Sie uns hier Ihre ganz persönlichen Eindrücke, lassen uns teilhaben an Ihrem Turmabenteuer?