Bekannt für guten Whisky: Oban im Herzen der West Highlands liegt zwischen dem Firth of Lorn und dem Loch Linnhe. (c) nass-press.
Zwischen den Orkney-Inseln im Norden Schottlands und Nordirland im Süden kann man schnell Gefahr laufen, von brechenden Wellen überrollt zu werden. Grund dafür sind Wind und Strom. Von beidem gibt es in The Minch, dem Seegebiet zwischen Äußeren und Inneren Hebriden, meist genug. Gefährlich für Segler werde es jedoch nur dann, wenn beide, Wind und Strom, entgegengesetzte Richtungen haben, sagt mein Freund Hein. Der Ebbstrom verlangsame dann beispielsweise entgegenkommende Wogen und verlängere so die Wellentäler, warnt der Kenner der Inselwelt der Hebriden. Das Ergebnis sind dann Wellen, die so steil werden können, dass sie schließlich brechen.
Außerdem kann, wer die Strömungsverhältnisse nicht beachtet, schnell im Wortsinne auf der Stelle treten: Die Yacht macht dann hart am Wind zwar viel Fahrt durchs Wasser, aber nur wenig ? oder keine ? Fahrt über Grund. Im schlimmsten Falle kann das sogar dazu führen, dass man rückwärts segelt. Auch gibt es Gebiete, die Skip bei bestimmten Wetterverhältnissen mit seinem Boot tunlichst meiden sollte: Der Golf von Corryvreckan nahe der Insel Jura oder der berüchtigte Pentland Firth im Nordosten Schottlands gehören etwa dazu. Lies nach in Der Keltische Ring von Björn Larsson, sagt Hein.
Segler, die sich trotzdem aufmachen zu den Inseln Skye, Rum, Mull, Jura oder Islay, werden entschädigt mit unberührter Natur, dem beeindruckenden Hebriden-Massiv entlang der Küstenlinie, stillen Ankerbuchten und: Whisky. 12 Destillerys laden den Segler allein an den Küsten von The Highlands und den sich anschließenden Malts-Revieren von Skye, der Coastal West und East, Speyside und Islay ein, für einen Tag oder länger ? und eine Probe des edlen Getränks ? die Leinen festzumachen; eine weitere Edel-Destille findet sich in The Lowlands südöstlich Edinburghs.
Den ersten Schluck gibt?s in Carbost am Loch Harport. Hier an der Westseite der Isle of Skye duckt sich direkt am Wasser die Talisker-Destillery ins karge Grün. Mein Freund Hein, Whisky-Experte, lobt die kraftvolle, rauchige Nase des Gebräus, erschnüffelt das Salz des Seewassers, den Saft frischer Austern und eine zitronige Süße. Wir genießen ihn zusammen mit geräuchertem frischen Fisch auf dem Vordeck unserer 43 Fuß langen Sun Odyssey. Und dann noch einmal, nach einem sonnigen Segeltag entlang der Westküste Skyes in südlicher Richtung: Vor Anker liegend im Loch Scravaig, gleich nordöstlich der Isle of Soay gelegen. Wir erkunden das von der Sonne erwärmte Felsgestein, das kristallklare Wasser eines Bergsees und die karge, aber nicht minder eindrucksvolle Natur rund ums Loch ? kletternd, schwitzend, schwimmend, aber vor allem: staunend. Gibt es Steigerungen?
Es gibt sie. Auf einem fast südlichen Kurs segeln wir zwischen den Inseln Rum und Eigg hindurch zur Isle of Muck, neben Canna, Sanday, Eigg und Rum Teil der sogenannten ?Kleinen Inseln?. Im frühen 18. Jahrhundert siedelten auf dem nur 559 Hektar großen Eiland 280 Seelen, weiß Hein zu berichten; 1991 seien es nur noch 24 gewesen. Doch heute, so wird uns in der einzigen Kneipe der Insel berichtet, geht es mit der Population von Muck steil bergauf: 32 Einwohner zählt die Insel mit dem rauhen Charme heute ? und augenscheinlich werden es demnächst noch ein paar mehr. An der nordwestlich gelegenen Ankerbucht tauschen wir mit einem Fischer Whisky gegen lebende Hummer. Ein guter Deal, wie sich später beim gemeinsamen Abendessen im Salon der Chantilly herausstellt.
Caol Ila, Cardhu, Clynelish, Cragganmore, Dalwhinnie, Glen Elgin, Glenkinchie, Glen Ord, Knockando, Royal Lochnagar, Talisker, Oban, Lagavulin ? Zauberworte, welche die Herzen von Whiskyfreunden sofort höher schlagen lassen. Viele von ihnen sind an Bord einer der teilnehmenden Yachten unserer Flottille. Nach und nach outen sie sich: Strahlende Augen und andächtiges Schweigen verraten die Kenner, wenn etwa eine Flasche 16 Jahre alten Single Islay Malts entkorkt wird. Wir testen einen Lagavulin einige Seemeilen östlich der Isle of Muck, kurz nachdem der Anker im sogenannten North Channel des Loch Moidarts nördlich der Eilean Shona gefallen ist. Bug an Bug mit der Eda Frandsen im geschützten Loch schwoiend, lassen wir uns zu dem Getränk, von Hein für sein long, elegant peat-filled finish with lots of salt and seaweed gelobt, einen blauschimmeligen Rochefort-Käse schmecken.
Überhaupt lernen wir auf diesem Törn nicht nur den Umgang mit den Gezeiten, die den Tagesablauf bestimmen, und den Strömungen, mit dem launigen Wind und den teils steilen Wellen. Wir erfahren auch viel über klassische Single Malts: Etwa, dass ein Schluck Wasser ins Glas das Aroma öffnen kann. Oder bestimmte Speisen den Geschmack verstärken oder verfeinern. Und, dass das Schottenreich entgegen jeder logischen Landes- oder Distriktsgrenze schon seit langem auf besondere Weise geteilt ist: in The Lowlands, Islay, Coastal West, The Highlands, Speyside, Coastal East und Skye - nach der Herkunft der Whiskys.
Wir runden Ardamurchan Point östlich der Nordspitze Colls ? er zeigt an, dass wir den westlichsten Festlandpunkt Schottlands gerundet haben. Nur kurze Zeit später machen wir an der neuen Schwimmsteganlage im Seglerzentrum Tobermory fest. Im Mishnish, einer urigen, alten Kneipe (mit eindrucksvoller Whisky-Auswahl und gemütlichen Séparées), schmeckt der Oban besonders gut ? mit gezuckerten Ingwerstückchen.
Segeln in Schottland. Eine rauhe ? und feine ? Angelegenheit zugleich, findet Ihr Matt.Müncheberg,
info@muencheberg-media.com.
Info: www.worldcruising.com/classicmaltscruise/ oder direkt beim World Cruising Club, 120 High Street, Isle of Wight, PO31 7AX.