Eine Legende wird wiederbelebt: Angelo Bonati entdeckte den Five-Riss. Nun wird restauriert. Foto: nass-press.
Es ist wie so oft im Leben, meint mein Freund Hein: Der Zufall entscheidet. Als der Italiener Angelo Bonati im Frühjahr 2006 mit einem Dingi die Buchten von Antigua erkundete, sei dem ein altes Wrack aufgefallen, erzählt der Salzbuckel. Das sei nur notdürftig längsseits an einer alten Schlepper-Werkstatt festgemacht gewesen. Doch der geübte Blick des Freundes klassischer Yachten habe in dem Haufen rotten Holzes mit dem langen, durchgehenden Kiel, den geschwungenen Linien und den nur zu erahnenden, wohlproportionierten Formen eine Yacht aus der für seine Schiffbaukünste berühmten Five-Werft aus Fairlie in Schottland entdeckt. Erfolgsrezept der kleinen Bootsschmiede: Wenn es schön ist, ist es richtig.
Und, tatsächlich: Bei näherem Hinsehen entpuppte sich der Rumpf, welcher nur mühselig über Wasser gehalten werden konnte, als die im Jahr 1937 mit der Konstruktionsnummer 822 vom Stapel gelaufene Eilean, die schottische Bezeichnung für kleine Insel. Eine Sensation in der Klassikyacht-Szene. Denn die Entwürfe für die einst so stolze Zweiundzwanzigmeter-Yacht fertigte kein Geringerer als der damals achtzigjährige William Five III höchtselbst, zusammen mit seinem Neffen Robert Balderton Five; das Lloyds Register von 1938 weist beide als Konstrukteure des Schiffes aus.
Der stilisierte Drachenkopf am Bug des Schiffswracks, Merkmal einer jeden von William Five III gebauten Yacht, brachte dem Segelenthusiasten schließlich letzte Gewissheit. Doch die ehemals so stolze Yacht befindet sich in erbärmlichem Zustand: Die Masten: nicht mehr vorhanden. Das Dollbord: gebrochen. Die Reling: demontiert. Die Decksausstattung: unbrauchbar. Auch die Inneneinrichtung fehlt völlig. Was die Termiten noch nicht verzehrt hatten, hatte der letzte Eigner ausgebaut. Trotzdem steht für Bonati schnell fest, dass er die Eilean rettet, retten muss. Bonati klotzte, statt zu kleckern: Doch wie überführt man ein instabiles, beschädigtes Wrack nach Italien?
Angelo Bonati wusste sich zu helfen: Von Antigua ließ er den Rumpf mit Luftballons gefüllt nach Martinique schleppen. Dort wartete bereits ein Frachtschiff, welches die Eilean huckepack 4.000 Meilen weit bis zum Voltri-Hafen von Genua transportierte. Von da war es nur noch ein Katzensprung, wieder im Schlepp, bis nach Viareggio. Denn: nur bei der dort ansässigen, auf Oldtimer spezialisierten Del Carlo-Werft schien es dem stolzen Vertreter des neuen Yachteigners Panerai möglich, ein so berühmtes, wertvolles Schiff fachgerecht restaurieren zu lassen. Die zehn Mitarbeiter der 1963 gegründeten Cantiere Navale Francesco Del Carlo, so der korrekte Name der kleinen Werft, spuckten in die Hände und legten los.
Nur wer sich mit klassischen Yachten so gut auskennt wie Angelo Bonati und die Männer von der Del Carlo-Werft weiß, was es heißt, ein klassisches 22 Meter-Schiff von Grund auf in Handarbeit zu sanieren. Deshalb war der Geschäftsmann auch nicht verwundert, als schnell feststand, dass der Bootskörper erst einmal komplett entkernt werden muss, um dann, Schritt für Schritt, den Wiederaufbau angehen zu können. Heute sind ein Großteil der alten Planken aus Teak bereits wieder auf den neu angefertigten Spanten, einem Trägergerüst aus Metall verschraubt, Verbundbauweise nennt das der alte Salzbuckel Hein. Deckshaus und Oberlichter sind angepasst, das Ruder wartet auf den Einbau. Guido Del Carlo, Sohn des Firmengründers Francesco, zirkelt am 28 Meter langen Mast, der wie alle fehlenden Teile vor Ort von den Bootsbauern in Viareggio selbst angefertigt wurde.
Angelo Bonati hat ein ehrgeiziges Ziel: Bereits im April des nächsten Jahres soll die Eilean an der Antigua Classic Week sowie nur etwas später an der Regatta von Nantucket teilnehmen. Nach einer Atlantiküberquerung plant der Firmenchaf der Luxus-Uhrenschmiede Panerai weiter, dann quasi in eigener Sache: Von Juni bis September soll das 25,60 Meter über Alles lange Schiff im Mittelmeer an der Panerai Classic Yachts Challenge vor Antibes, Porto S.Stefano, Mahon, Imperia und Cannes teilnehmen. Die Eilean solle mindestens sechs bis sieben Monate im Jahr auf See unterwegs sein, wünscht sich Bonati. Dann solle sie sein kleines Florentiner Uhrenunternehmen bei der nach seinem Geschäft benannten Regattaserie würdig vertreten, wünscht sich der 57jährige, am besten auf einem der vorderen Plätze. Zufall? An den glaubt der aus Mailand stammende studierte Geschäftsmann nicht. Die Eilean habe ihn gefunden, nicht umgekehrt, ist sich Bonati sicher: Und auch, dass seine bekannten Marinetaucheruhren in eben dem Jahr entwickelt worden sind, in welchem auch das Five-Boot Stapellauf feierte, ist für Klassik-Fan Bonati alles, nur kein Zufall.
Auch mein Freund Hein glaubte nie, und glaubt auch heute noch nicht, an Zufälle im Leben; und doch, das Gedankenspiel sei erlaubt: Was wäre, wenn der anpackende Herr mit dem teuren Zeitmesser am Handgelenk vor nunmehr zwei Jahren nicht ins Dingi gestiegen, und nicht die Buchten vor Antigua auf eigene Faust erforscht hätte?, fragt Ihr Matt.Müncheberg, info@muencheberg-media.com.
(Mehr Infos über schöne alte Schiffe - und Uhren unter www.panerai.com. Dort auch demnächst mehr zum Five-Riss Eilean).