Darf es ein bissschen Meer sein? Seemanns Braut ist die See, sonst niemand ...
Heute ist es an der Zeit, mal an das 5. Gebot zu erinnern. Du sollst nicht Ehebrechen. Leider gilt derjenige heute als antiquiert, der sich daran hält. Doch das muss nicht sein. Denken wir nur an unsere Liebe zur See.
Wer die üble Phase der Seekrankheit einmal überwunden hat, weiß, dass er vor dieser Form der menschlichen Unzulänglichkeit der Übereinstimmung von Geist und Physis keine Angst mehr zu haben braucht. Sicher kann man immer wieder mal seekrank werden, ebenso sicher wird man aber auch immer wieder gesunden. Denn die Seekrankheit ist eben ein ? übrigens durchaus wenig erforschtes ? Faszinosum, das uns schüttelt, weil in unserem Innenohr Nervenenden auf eine Weise gereizt werden, die uns sagt, dass der von uns erwartete mit dem tatsächlichen Horizont nicht übereinstimmt.
So gesehen ist der, der nie seekrank wird, ein eher unsensibler Zeitgenosse. Der hingegen, der seekrank wird, zeigt die Sensibilität, zu empfinden, dass die Bezugssysteme Straße und Land fehlen. Man sollte sich also der Seekrankheit vor allem nicht schämen. Nur am Rand will ich daran erinnern, dass große Seehelden regelmäßig seekrank wurden, was ihnen nichts von ihrem Charisma als Bezwinger der Weltmeere nahm.
Wenn wir nun in die neue Saison starten, ob bei einer Hafenrundfahrt auf einer Hamburger Barkasse über die raue Elbe bei Nordweststurm oder im Solent vor Südengland, werden wir es merken: dieses Rumoren. Doch das macht noch keinen Seemann und auch keine Seekrankheit, dass wir uns mal übergeben. Es ist etwas anderes, was uns umtreibt. Es ist dieses Wollen, dieses Hin-Wollen zur See. Denn erst dort merken wir, dass es unsere Natur ist, dass wir uns ihr hingeben, unserer Braut. Und wir erinnern uns an das 5. Gebot. Du sollst nicht ehebrechen. Wir merken, wir werden nicht ehebrechen. Nein, dieser Braut gilt unsere ewige Treue. Ewiger ist keine andere. Also folgen wir ihr ? seekrank zwar, vielleicht, aber endlich wieder auf See.
Lassen Sie sich dies doch gelegentlich durch den Kopf gehen, wenn unter ihnen die Planken schwanken.
Ihr
Robert Fischer