Schön. Klare Linien eines klassischen Kreuzers bei der Regatta Klassischer Yachten auf der Unterhavel in Berlin
Wir stellen uns die starken Schultern eines hoch- und gutgewachsenen Beaus am Strand von Miami oder Rom vor. Muskulös, von der Sonne gebräunt. Schön. Einfach schön. Oder die schmale Taille über den festen Hüften einer Frau, deren Brüste von gerade abstehenden Brustwarzen wie gekrönt wirken; lange Beine, schöne Waden, gepflegte Füße, schmale Schultern. Jedes Wippen der Brustwarzen adelt die Eleganz einer solchen tadellosen Erscheinung, was sich im Stolz des Ausdrucks des Gesichts, der Lippen, dem Blick widerspiegelt. Ja, solche Schönheit ist ohne Zweifel etwas sehr Schönes. Leider so vergänglich.
Ist das zu kurz geschaut?
Bei den Klassiker-Treffen vor Deutschlands Küsten, der jährlichen Veteranen-Regatta vor Laboe etwa, finden wir eine ganz andere Normung für eine sehr ähnliche Empfindung: Schönheit dort wirkt, weil die scheinbare Unvergänglichkeit von Linien, die wir als klassisch schön bezeichnen, tatsächlich eine Auswahl dessen darstellt, was aus den unterschiedlichsten Schulen der Ästhetik in unserer Alltags-Schätzung überlebt hat: als besonders schön. Ja, klassische Linien gelten als unvergänglich. Obwohl jede neue und zunächst abgelehnte, später jedoch als klassisch schön bezeichnete Mode beweist, wie wandelbar, wie leicht zu beugen unser Geschmack ist. Leichter noch als das Recht, und für jeden von uns schmerzhafter.
Wir stellen uns die Not der Ästheten in der Architektur vor. Sind sie ?modern? werden ihre Werke von Traditionalisten geschmäht, pflegen sie die Kubaturen der Altvorderen, Fenster mit aufwendigen Gesimsen, Schuldtürmchen, stuckverziert, an der Straßenseite der Häuserfassaden, Elemente, die wie aus der Zeit der ?l?art pour l?art? wirken, gelten sie den auf reine Zweckmäßigkeit und Kostenbewusstsein gestreamten Klonen der Modernität als antiquiert. Wobei dieses Wort urplötzlich einen Schimpf erhält, den wir ihm in Geschäften, die damit werben, überhaupt nicht zuerkennen. Ja, Antiquitäten an sich wird immer etwas ?Schönes? zuerkannt.
Wieso das für unsere ?Pelle?, die Haut, die runzelt, während die Linien von einer zur nächsten Form mutieren, nicht gelten soll? Wahrscheinlich liegt das an den Idealen, die wir vergöttern, weil sie gemacht sind: Schauspielerinnen, denen ? noch Kind ? schon die Frau anerzogen wird, die nachts Vamp, tags Hausmütterchen und bei Empfängen die elegante Konkubine als Rolle verinnerlicht haben. Schön? Na, ich weiß nicht.
Mein Freund findet meine Lachfältchen schön. Das wiederum finde ich schön. Und uns beiden gemeinsam gefällt, wenn wir auf See die Gedanken zu Orten schweifen lassen, die wir vielleicht nie erreichen, die wir aber in unserer Sehnsucht angesichts dessen, was wir vor uns haben, als traumhaft entstehen lassen. Fantasie macht Philosophie. Das ist die Soziologie des gedachten Empfindens. Mir gefällt die Schwelgerei in dieser Welt. Ich finde sie einfach: Schön.
Herzlichst
Ihre
Rena M. Schmidt