Boesch-Boote im Messehafen der Interboot 2014, Foto (c) Müncheberg
Die Bootsschau-Saison hat begonnen. An der Cote d`Azur ist sie sogar schon vorbei – Nizza, Cannes, Monaco, zum Schluß kam dann wie stets noch Genua. Dazwischen pilgerten die Fans traditionell nach Amsterdam und nach Southampton, und, wer mag, ist jetzt gerade auf dem Weg nach Barcelona. Doch: pilgerten sie wirklich – wie noch vor fünf oder zehn Jahren – in Scharen? Oder hat es sich längst ausgepilgert? Wie halten Sie es mit dem Besuch der Bootsmessen? Nehmen wir die deutschen Boots-Schauen: Friedrichshafen ist gelaufen. Der Zeitpunkt der Interboot Ende September zeichne die internationale Wassersport-Ausstellung aus, sagte Wolfgang Köhle, Pressechef der Friedrichshafener Messe: Kurz nach Beginn des neuen Modelljahres könnten die neuesten Visionen gezeigt und zur nächsten Saison geliefert werden. Zudem lockten die tageslichtdurchfluteten, hellen Hallen und die Exklusivität des eigenen Ausstellungs-Hafens mit Wasserliegeplätzen. Besondere Bedeutung erziele die Bootsausstellung aufgrund ihrer geografischen Lage im Dreiländereck. Das mache sie für die Eidgenossen zur wichtigsten Messe im Jahr, beeilte sich auch David Clavadetscher, seines Zeichens Geschäftsführer des Schweizerischen Bootbauer-Verbandes, zu erklären. "Die Interboot als Neuheiten- sowie Premierenmesse und erste Veranstaltung der Saison bietet der Branche eine Plattform, ihre Innovationen vorzustellen“, sagte Messechef Klaus Wellmann weiter, die Interboot verstehe sich als „Botschafter des Wassersports“ und wolle „immer wieder neu für die Faszination in und auf dem kühlen Nass begeistern". Dieses avisierte Ziel scheint indes immer schwieriger erreichbar zu sein: bei den Besucherzahlen büßte die Messe am Bodensee in den letzten fünf Jahren insgesamt 9.200 Besucher ein, das sind knapp zehn Prozent (zum Vergleich: 2010: 95.400 / 2014:86.200). Allein in diesem Jahr wollten 3.400 Besucher weniger als im letzten Jahr die Messe sehen. Auch die Ausstellerzahlen gingen in den letzten fünf Jahren zurück: konnten 2010 noch 518 Aussteller gezählt werden, waren es in diesem Jahr 491, ein Rückgang von 27 ausstellenden Unternehmen oder fünf Prozent. Doch auch bei den anderen deutschen Messen sieht es nicht viel anders aus, ganz im Gegenteil: in Deutschland folgen Ende Oktober die Hamburger Hanseboot (minus 20.000 Besucher in den letzten vier Jahren oder 25 Prozent, minus 150 Aussteller oder 20 Prozent), dann zeigen die Berliner Ende November bei der BOOT & FUN in den Messehallen unterm Funkturm Boote. Zahlenmäßig schießen die Berliner den Vogel ab: minus 28.760 Besucher oder schlappe 43 Prozent hatten die Spreeathener von 2010 bis 2013 zu verzeichnen. Damals war die Veranstaltung noch in privater Hand, „Fremdveranstalter“ nennen das die Messen. 66.000 Besucher sahen angeblich vor vier Jahren die Boot & Fun. Will man die verlustig gegengenen Besucher gar für den Zeitraum von 2011 bis 2013 berechnen, landet man gar bei atemberaubenden 42.052 Menschen, die weniger in die Messehallen unter dem Funkturm gekommen waren – das entspricht sage und schreibe fast genau einem Einbruch von 50 Prozent gegenüber dem Zeitraum, als die Boot & Fun ins Portfolio der Messe Berlin übernommen worden war. Die Zahl der Aussteller hat sich über die Jahre, glaubt man den Zahlen, bei etwa 650 etabliert. Dann trifft sich die Szene traditionell zum jährlichen Showdown in Düsseldorf – zur weltgrößten Wassersport-Messe unter Hallendächern. Diese Messe haben die meisten Aussteller im Programm – auch wenn sie teuer ist und lange läuft. Doch auch hier liefert die Statistik ernüchternde Zahlen, wenn man sich die Mühe macht, einmal nachzurechnen: die boot vermeldet zwar „nur“ einen Besucher-Rückgang von sieben Prozent im Zeitraum von 2008 bis 2014. Doch in Zahlen ausgedrückt, heißt das, dass über die Jahre immerhin 18.400 Besucher die Lust an einem Messebesuch vergangen ist – zum Vergleich: das ist mehr als doppelt so viel, wie die sächsisch-anhaltinische Regional-Messe Magdeboot überhaupt aufweisen kann. Die Aussteller hatten sich in Düsseldorf im selben Zeitraum zwischen 1.600 und 1.700 eingependelt. Das wirft unweigerlich die Frage auf: sind Wassersportmessen, wie man sie kennt, überhaupt noch up to date? Sicher, es gab einen Knick nach unten in der Wassersport-Wirtschaft, von dem sich die Branche, wenn überhaupt, in den letzten fünf Jahren nur sehr langsam erholt hat. Und dennoch: Immer weniger Segler, Motorbootfahrer, Paddler und Funsportler sehen es ein, für in Messehallen werblich auftretende Unternehmen überhaupt noch Eintritt zu bezahlen. Eine Ausnahme mögen hier vielleicht noch Messen bilden, die über einen eigenen Hafen verfügen, wo ein Teil der Boote – bei moderatem Wetter – probegefahren oder –gesegelt werden können. Viele scheinen mittlerweile ganz anders zu denken: Internet sei Dank werden Charterangebote mehr und mehr online eingeholt. Wer sich für einen bestimmten Bootstyp interessiert, lädt sich aus dem Netz ein paar Testberichte herunter – und kontaktiert die Werften oder Händler – messezeitunabhängig – direkt. Hier gibt es einige interessante Angebote für potentielle Käufer. Einige Hersteller und Händler haben diesen Trend erkannt. Sie fanden – und finden zurzeit andere, moderne Formen der Präsentation (und der Werbung). Hausmessen sind da ein probates Mittel – im Sommer, am See. Wer hat schon Zeit und Lust, sich als Aussteller neun (!) Tage lang am Stand zu langweilen, wenn er schon vorher weiß, dass an den Wochentagen kaum jemand Zeit und Gelegenheit hat, die Messe zu besuchen – von ein paar in dunkelblaue Marinesakkos mit Messingknöpfen und Vereins-Stander gehüllte Rentiers und einige lärmende Schulklassen einmal abgesehen, die in den Messehallen zu bestimmten Themen ihren Projekttag machen (müssen)? Und doch scheint die Messe-Branche nach dem Prinzip „weiter so!“ zu verfahren; Augen zu und durch! Interessant ist, was der Wirtschaftsverband Wassersport dazu meint: „Als maßgebliche europäische Bootsausstellungen haben sich die an den Schauplätzen in Cannes im Herbst und Düsseldorf im Januar herauskristallisiert. Die restlichen Messen werden zunehmend von Händlern beschickt und haben trotz teilweise hohen Preisgefüges eher regionalen Charakter“. Im Umkehrschluß heißt das aber: alle anderen Messen (in Deutschland) sind eben nicht maßgeblich – oder noch anders ausgedrückt – so unnötig wie ein Kropf. Es sei denn, es handelt sich um kleine, aber starke regionale Messen, die vielleicht noch mehr als einige der „großen“ der Branche eine Existenzberechtigung haben – nachzulesen in den über die Jahre konstanten oder ansteigenden (absolut jedoch kleinen) Besucher-, Boots- und Ausstellerzahlen. Selbst bekannte Journalisten-Kollegen versuchen verstärkt, Messebesuche auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Wer nicht mit dem Verlagskollegen auf Akquise-Tour sein muß, einen Test-Termin (auf dem Messe-See) hat oder einen eigenen Verlags- oder Magazin-Stand betreuen muss, bekommt auf den Schauen nicht mehr Informationen, als er auch ohne die Messen erhalten könnte. Die Zeiten, in denen man auf den Messen die Nächte mit Ausstellern oder den Kollegen ausgelassen durchfeierte, scheinen ohnehin vorbei. Wie werden also zukünftig Boote und maritime Dienstleistungen präsentiert? Niemand vermag das mit Gewißheit vorauszusagen. Eines scheint indes festzustehen: Ein „weiter so“ kann eben nicht der richtige Weg sein; da sprechen die Zahlen eine zu eindeutige Sprache. Die Besucher der Messen stimmen ab – mit den Füßen. Recht so. Und die Werften und Händler? Die bräuchten dringend einen Plan fürs nächste Jahrzehnt – spätestens dann ist nämlich die nächste Generation soweit, sich vielleicht – von der Einsteiger-Jolle, vom SUP oder Kitesurfbrett kommend – für etwas größere Boote zu interessieren. Und dieser Wassersport-Nachwuchs wird eines höchstwahrscheinlich garantiert nicht tun: eine gähnlangweilige Wassersportmesse besuchen, bei der Dutzende von Booten nebeneinander in Reih und Glied stehen und wortgewandte, diensteifrige Verkäufer in Jeans, Oberhemd und Sakko einem ein Ohr abkauen. Welche Messen ich besuchte in diesem Jahr? Nun, ich war auf der Interboot – weil ich den Bodensee mag, und beide Besuche gut miteinander verbinden kann. Ich war bei der Genoa Boat Show – weil ich eine Einladung dorthin erhielt und die Messe noch nicht kannte. Ich werde auf der BOOT & FUN in Berlin sein – weil ich die Idee des Pre-Events „Gala-Nacht der Boote“ prima finde. Und ich werde auf der hanseboot sein, weil ich Hamburg mag und dort Freunde treffen werde. Vielleicht kann das ja ein allgemein gangbarer Weg für die Zukunft sein: Events, Fachveranstaltungen und touristische Packages draufzupacken – der Messe quasi ein „Sahnehäubchen“ aufzusetzen, und sie, anders als bisher, nicht mehr nur als reine Messe zu vermarkten. Dazu bedarf es eines klugen, visionären Managements, einer professionellen PR und eines ideenreichen, den potentiellen Besucher abholenden, ihn „umwerbenden“ Marketings, das auch die sozialen Bereiche des Netz ohne platte Botschaften durchdringt – Bootsmesse zwo-null sozusagen. Dann besteht vielleicht die Chance – bei freiem Eintritt – auch die nächste Generation für den Besuch einer Inhouse-Bootsshow begeistern zu können.