Kroatien - zwischen den Inseln

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Montag, 14. Juli 2008
von Verena - Bosslet
Einigermaßen geschützt gegen strammen Wind hinter der Mole von Prigradica: Das Örtchen auf Korcula ist urkroatisch. Foto: Verena Bosslet
Zwölf Jahre Krieg: Kein Tourismus, keine Einnahmen, Stillstand. Im Bereich des Wassersportes hat sich das Land an der Adria in Windeseile zu einem der beliebtesten Reviere im Mittelmeer gemausert. Sehr zur Freude der Charterfreunde, zum Leidwesen der Fahrtensegler. Doch wer intensiv sucht, findet noch das ursprüngliche Kroatien, die liebenswerten Menschen, die günstigen Konobas - irgendwo, zwischen den Inseln. "Hey, Du wolle mit?" Neben mir hält ein klappriger, schmuddelweißer R4. Heraus schaut ein betagter, vom Wetter gezeichneter Herr mit Uhubrille, zeigt mir lächelnd seine wenigen, verbliebenen Zähne. Auja, gerne. Ich bin schon eineinhalb Kilometer im strömenden Regen den Berg hinaufgeächzt, um zum Einkaufen nach Blato zu kommen. Ein Auto, das Paradies. "Du bist auf Boot in Hafen?", fragt der Kroate freundlich. Ja, das bin ich. Seit zwei Tagen eingeweht in Prigradica an der Nordküste Korculas. Die "Schledagg", eine 15 Meter lange Alu-Reinke, liegt sanft schaukelnd hinter der breiten Mole, die uns gegen den strammen Nord-Wind schützt. September. Bora. Abwarten. Prigradica - nicht gerade ein Ort, in dem Segler länger als einen Tag hängen bleiben. Wenn überhaupt. Meistens segeln sie einfach vorbei, kreuzend oder mit achterlichem Wind durch den berüchtigten Peljeski-Kanal nach Korcula-Stadt. Denn nur wenig hat das Küstendörfchen zu bieten: einen ungemütlichen Hafen, weil bei Bora Schwell reinsteht, geschlossene Restaurants, ein Hotel mit Mini-Supermarkt, reservierte Menschen, eine steile Ausfallstraße nach Blato, keine Busverbindungen. Aber: Es vermittelt eine urkroatische Insel-Atmosphäre abseits der Touristen- und Charterbootpfade. So etwas findet sich kaum noch im südlichen Dalmatien. Und es gibt knuffige Leute wie meinen betagten Chauffeur, der natürlich schon ein paar Jahre in Deutschland verbracht hat. "Gute Land", sagt er und setzt mich direkt vorm Supermarkt ab. "Wenn Du wolle zurück, musst warten an Kirche. Jemand werde Dich mitnehme." Sprach`s und braust mit seinem knarzigen Vehikel davon. Ich erledige meine Einkäufe (Obst, Gemüse, Brot und ein dickes Hähnchen für wenige Kuna), stapfe erwartungsvoll zum Gotteshaus an der Straße nach Prigradica. Und warte keine fünf Minuten, da hält ein quietschgelber, asbachuralter Golf I. Ein junger Mann bietet mir freudestrahlend seine kostenfreien Taxi-Dienste an. "You are on boat?", fragt er in holprigem Englisch, während er versucht, die Serpentinen hinunter zur Küste zu meistern und gleichzeitig seine Zigarette im überquillenden Aschenbecher auszudrücken. Yes! Woher weiß der das? Prigradica ist eben winzig. Und die Dorfbewohner haben ihre Augen und Ohren überall. Ein natürliches Stück Kroatien. Trogir, Split, Brac, Hvar, Makarska-Riviera, Korcula, Pakleni-Otoci-Archipel, Mljet, Sipan, Dubrovnik: Fünf Wochen auf einem Boot in kroatischen Gewässern. Ich bin mit Margit und Udo unterwegs, einem Fahrtenseglerpärchen. Davon sehen wir Ende September/Anfang Oktober kaum noch welche zwischen all den zauberhaften Inseln. Das Revier gehört den Charterbooten und ihren Männercrews. Österreicher scheinen in der Überzahl. Bis spät in den Herbst hinein werden bei durchaus moderaten Winden gnadenlos Meilen abgerissen. In Makarska treffen wir auf Heinz, Bernie und Franz. Mit ihrer Bavaria 38 machen sie neben uns am Stadtkai des von Touristen hoffnungslos überlaufenen Badeortes fest. Die drei gesetzteren Herren waren - huschhusch - in Montenegro und müssen eiligst zurück nach Split. Vierzehn Tage herrliches, stressfreies Segeln zwischen Abertausenden von Eilanden. Und Montenegro? "Kein Problem", sagt Franz. Eine erträgliche Gebühr beim Einklarieren, ansonsten viel Natur und das Gefühl, der Krieg sei noch nicht lange vorbei. "Aber nette Menschen. Muss man mal gesehen haben." Am nächsten Morgen rauschen die Wiener davon. Wir bleiben noch zwei Tage. Eilig haben wir es nicht. Zu schön sind die Buchten, zu klar das Wasser, zu warm die Sonne. Purer Luxus, haben wir doch keinen Termindruck. 15, 20, 25 Seemeilen am Tag, das reicht. Trotzdem sind wir den Charterern immer eine Bootslänge voraus. Wenn sie am späten Nachmittag alleine oder in Flottillen in die Buchten herein rauschen, hängen wir schon bei kühlem Bier und Chips gemütlich am Anker. Mittlerweile finden sich in vielen Ecken Restaurants, die ihren vom Wasser kommenden Gästen Beton-Stege oder Muring-Bojen zur Verfügung stellen. Selbstverständlich kostenlos, so man denn am Abend gedenkt, bei Antonio, im Maestral oder in der Bar Porto Camaro zu speisen. Falls nicht, wird gezahlt. Zum Beispiel 170 Kuna (70 Kuna/zehn Euro) für eine Nacht ohne Strom und Wasser vor Pipo´s Konoba in der Povlja Luka auf Brac. Der Skipper hat in geistiger Umnachtung dem am Ufer winkenden Marinero nachgegeben - schwupps, lagen wir fest am Steg. Selber Schuld. Passiert uns nicht wieder. Zweifelsohne angesagtester Treffpunkt der südkroatischen Charterszene ist die ACI-Marina von Korcula-Stadt. Nachdem wir vom kostenfreien Stadtanleger vertrieben wurden, versuchen wir unser Glück im Hafen gleich um die Ecke. Ohne Erfolg. Die enge Marina platzt bereits aus allen Nähten. Trotzdem strömen wie eine Horde wildgewordener Ameisen immer mehr Yachten Richtung Einfahrt. Stau, Schlange stehen. Wo kommen die bloß her? Es wir gebrüllt und gepöbelt, sich in die noch so kleinste Lücke gequetscht. Wir gucken uns das Spektakel aus der Distanz an, entschließen uns dann kopfschüttelnd noch ein paar Meilen weiter nach Lumbarda zu motoren. Anker runter, Ruhe. An Land kaum Touristen. Darum kosten drei Pizzen, ein Salat, Wein, Pivo und Cappuccino auch nur 20 Euro. Korcula - meine Lieblingsinsel. Wohl wegen Prigradica. Und Korcula-Town. Die Altstadt auf der kleinen Halbinsel ist eine Miniaturausgabe von Dubrovnik. Nur hat der Krieg weniger Spuren hinterlassen. Die schmalen Gassen und heruntergekommenen Häuschen erzählen Geschichten von längst vergangenen Zeiten. Katzen wohin das Auge blickt. In Dubrovnik ist Dank UNESCO alles blitzeblank renoviert. Neue Dächer, neue Fenster, neue Straßen, eine monströse Wallanlage. Beeindruckend, keine Frage. Aber zu perfekt, ohne einen Hauch von Schmuddel-Flair, den Altstädte dieser Kategorie ausmachen. Korcula, herrliches Segelrevier vor den Toren der großen Schwester, ist nur knapp 50 Seemeilen entfernt. Warum wundere ich mich eigentlich, dass so viele Yachten hier ihre Segel setzen. Letzter Anleger Dubrovnik. Die "Schledagg" soll überwintern. Leidlich erfahren wir, was es heißt, kein Charterboot zu sein. Wir stören. Die Damen und Herren im ACI-Marina- Büro tragen die Nase so hoch, dass es unter Umständen hinein regnen könnte. 500 Euro im Monat sollen die 15 Meter Schiff kosten, dazu noch Kurtaxe und anderer Pipapo. Stellplätze auf dem Trockenen? Gibt es nicht, schon gar nicht für Boote in der Größe. Erst kommen die Charter-Firmen dran. Die haben schließlich für das ganze Jahr bezahlt. Na gut, nun ist uns klar, warum es keine Fahrtensegler in Dubrovnik gibt: zu teuer, zu unfreundlich, einfach ätzend. Und das Gute liegt so nahe: Korfu, Griechenland. Tschüss Kroatien. Am nächsten Tag klarieren wir problemlos im Seehafen aus. 240 Seemeilen, drei Tage, zwei Nächte, Gouvia-Marina, halber Preis. Aber das ist eine andere Geschichte.

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