Trottel-an-Bord-Problem. Bei der Auswahl der Mitsegler ist ein glückliches Händchen durchaus
gefragt
Nachsaison in Zadar. Mangels deutschsprachiger Tageszeitungen am Kiosk entscheide ich mich für Slobodna Dalmacija (Freies Dalmatien) und setz mich vor ein kleines Café mitten in der Stadt. Meine Bestellung „Espresso, molimo!“ klingt offenbar authentisch, weshalb mich die beiden Männer am Nachbartisch nicht als Landsmann erkennen. Sie heißen Gerfried und Gerold, wie sich kurz darauf herausstellt. Und sie pflegen einen steirischen Zungenschlag der Stufe
sieben auf der zwölfteiligen Bell-fort-Skala.
„Baist daipat! Sou an Drouttl houb i schou loung nimma an Bourd g’houbt!“, sagt Skipper Gerold, wie sein ebenfalls weißhaariger Freund gut sechzig Jahre jung. Offenbar handelt es sich bei besagtem Trottel um einen eher unbeliebten Passagier, der mittels Crashkurs selbst zu Skipper-Ehren gekommen ist. In dieser Woche dürfte er damit beschäftigt sein, den beiden Routiniers Gerfried und Gerold durch die permanente Preisgabe seines Halbwissens den Törn zu versauen. Aus diesem Grund stehen wohl auch schon um halb zehn zwei kleine Biere und zwei Pelinkovac auf dem Tisch. Es handelt sich offenbar um eine Art Krisensitzung, weit weg von der übrigen Crew, die sich gerade auf Einkaufsbummel befindet.
„Mouch ma a Nouchtfouhrt und hau ma dein Drouttl iba Bourd“, schlägt Gerfried vor. Eine
naheliegende Idee, die aber rasch aus humanitären Gründen verworfen wird. Auch das im Zeitalter der Bounty noch beliebte Kielholen kommt als Lösung offenbar nicht in Frage. Die darauf folgende Kanonade an Schimpfwörtern ist eines ganz sicher nicht: druckreif.
Nun warnt Gerold seinen Freund, dass dieser sich doch ein wenig zurückhalten möge: „In zwoa Toug samma wieda dahoam und wounnst sou redst wia jeitz, haun’s di glai am erschtn Toug aus deina Firma aussi!“ Außerdem könnten sich ja auch deutschsprachige Menschen im Café befinden. Wobei Deutschkenntnis alleine angesichts der 7 Bell-fort nicht zum lückenlosen Verständnis der Schimpf-Orgie geführt hätte.
Ich tu so, als müsste ich über den Artikel „Što je bilo s Goranom Ivaniševićem?“ (Was wurde aus Goran Ivanišević?) schmunzeln, um nicht enttarnt zu werden. Denn nicht nur das Trottel-an-Bord-Problem, sondern auch das Sprachproblem ist mir keineswegs unbekannt: Ich muss mir auf die Lippen beißen, um nicht laut los zu lachen. Unbestätigten Gerüchten zufolge hat einer aus unserer Runde einst nach einem ausgiebigen Männertörn seinen Chef mit den Worten „Servas, du Vollkoffer!“ begrüßt. Den Sonntag zwischen Männertörn und Geschäftsalltag mit Frau und Kindern, vielleicht sogar mit den Schwiegereltern zu verbringen, kann sehr hilfreich sein um rechtzeitig auf Normalsprache umzuschalten …
Unlösbar ist hingegen das Trottel-an-Bord- Problem: Gut, eine gewisse Vorselektion mit Routine, G’spür und Menschenkenntnis ist meist erfolgreich, doch bei neuen Crewmitgliedern darf man nie zu sicher sein. Die Metamorphose vollzieht sich oft erst nach der Hafenausfahrt.
Wetter, Tracking, Astronomie … Einfach alles ist heutzutage per App kontrollierbar. Aber ein Trottel-Erkennungs-App gibt es leider noch immer nicht. Und der legendäre Trottel-Erkennungshund existiert bedauerlicherweise nur in einer Karikatur von Gary Larson.
Gerold bietet eine Lösung an: „Mir miass’n den Drouttl oafouch ignorier’n“, sagt er. „Dem Schiff is es jou a voullkoummen egal, oub a Drouttl drauf sitzt ouda net.“
Weise Worte. Sie könnten dem Buch „The Tao of Sailing“ von Ray Grigg entnommen sein. Gerold und Gerfried haben mir sehr weitergeholfen. Und hoffentlich mein Donauinsel-T-Shirt nicht bemerkt. Sonst werden sie auf dem Weg zurück zum Hafen wohl eines beschließen: „Den Weana Drouttl voum Neib’ntisch mit da kroatisch’n Zeitoung in da Hound nehm’ma auf ounsern Schiff sicha net mit!“
Diese Kolumne entsteht dank der Zusammenarbeit mit dem österreichischem Magazin Yachtrevue.
www.yachtrevue.at