Immer im Frühjahr: Die BVI-Spring-Regatta. Foto: (c) nass-press.
Nur wenige der wassersport-affinen Besucher auf den Jungferninseln gleich östlich Puerto Ricos wissen wohl um die Historie der Große Antillen-Inseln am Nordrand des Karibischen Meeres. Dabei ist die an Größenwahn, Menschenverachtung – aber wohl auch an Kuriosität – kaum zu übertrumpfen.
Denn, Hand aufs Herz, wer hätte gedacht, dass es, nur zwei Jahre nach der ersten deutschen Ansiedlung in Germantown, im Jahre 1685 zur Gründung eines brandenburgisch-preußischen Handelsstützpunktes auf der Antilleninsel St.Thomas gekommen war?
Klar ist heute, dass das vorrangige Interesse solcher Handelsgesellschaften nicht etwa geo- oder bevölkerungspolitischer, sondern ausschließlich wirtschaftlicher Natur war. Auch das Interesse Brandenburgs unter Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten, machte da keine Ausnahme: Die Aktivitäten waren ausschließlich darauf gerichtet, durch überseeische Stützpunkte eine bessere Teilhabe am damaligen Welthandel zu erlangen.
Zu diesem Zweck schloss der kurbrandenburgische Marine-Generaldirektor Benjamin Raule am 24.November 1685 mit Vertretern der Dänisch-Westindisch-Guinesischen Compagnie einen Vertrag über die Vermietung eines Teils der seit 1666 zu Dänemark gehörenden Antilleninsel St. Thomas an Brandenburg.
Die Souveränität der Insel St.Thomas blieb zwar beim dänischen König, Brandenburg wurde aber Grund und Boden zur Nutzung überlassen. Außerdem wurde ein auf 30 Jahre befristeter Freihandel (vor allem für Sklaven) vereinbart.
Das brandenburgische Pachtgebiet, Brandenburgery genannt, lag in unmittelbarer Nachbarschaft zum dänischen Hauptort Charlotte Amelie. Charlotte Amelie, Nichte des Großen Kurfürsten, war Gemahlin des Dänenkönigs Christian V. Es bestand aus einer Siedlung für Europäer mit Wohn- und Verwaltungsgebäuden sowie Lagerhallen und der Residenz des General-Direktors. Die Sklaven lebten abgetrennt in einem eigenen Wohnbezirk. Zum Schutz der Niederlassung wurde ein Fort errichtet. Die Siedlungen einschließlich des dänischen Hauptorts erstreckten sich über einen 1 km langen Küstenstreifen. Westlich der Siedlungen waren den Brandenburgern ausgedehnte Ländereien bis ins Inselinnere zur Kolonisierung zugewiesen worden. 1688 lebten auf St. Thomas 300 Brandenburger!
Die weitere Entwicklung war von einem Auf und Ab der brandenburgisch-dänischen Beziehungen geprägt. Es gab dänische Eingriffe in brandenburgischen Besitz. Obwohl der Handel weiter florierte, verlor die preußische Krone nach erfolglosen Versuchen, auf anderen westindischen Inseln Fuß zu fassen, mehr und mehr ihr Interesse an überseeischen Besitzungen.
Der brandenburgische Teil von St. Thomas wurde schließlich 1693 ohne Widerstand - und entschädigungslos - von Dänemark beschlagnahmt. 1727 ließen die Dänen erstmals brandenburgisches Inventar und 1738 auch die letzten preußischen Besitzungen versteigern. Der letzte brandenburgische General-Direktor, J. Bordeaux, ist 1735 ohne Nachfolger auf der Insel verstorben. Nach ihm sind auf St. Thomas aber immer noch einige Straßen und ein Berg, der Bordeaux-Hill, benannt.
Das brandenburgisch-preußische Abenteuer in der Karibik hatte ein historisches Nachspiel: Nach der Niederlage im deutsch-dänischen Krieg von 1864 boten die Dänen den verbündeten Preußen und Österreichern Dänisch-Westindien an, um Teile Schleswigs behalten zu können. Die noch alliierten deutschen Großmächte besaßen indessen kein Interesse. 1896 machte Dänemark erneut den Vorschlag, einen Teil Nordschleswigs gegen die dänischen Jungferninseln, zu denen St.Thomas gehörte, zu tauschen. Entrüstet lehnte Wilhelm II. es ab, deutsches Gebiet abzutreten.
Aus Sorge um die dänische Neutralität im Ersten Weltkrieg und die Errichtung neuer deutscher Militär-Stützpunkte kauften die USA 1917 den Dänen mehrere Inseln, darunter St.Thomas, ab, die seitdem die U.S. Virgin Isles, die Jungferninseln, bilden.
Nur einen Halbtages-Törn in nordöstlicher Richtung liegen die BVI – Britischer Teil der Jungferninseln mit den Hauptinseln Jost van Dyke, Tortola, Norman-, Peter-, Salt-, Cooper- und Ginger Island sowie Virgin Gorda und Anegada.
Zu Anfang eines jeden Jahres läuft zwischen den BVI-Inseln die Spring-Regatta und das Sailing Festival. Beides hat in der Aktiven-Szene mittlerweile einen guten Ruf. Segler aus allen Teilen der Welt, unter ihnen regelmäßig auch mehrere Deutsche, geben sich hier schon traditionell ein sportliches Stelldichein bei Langstreckenregatten, Kurzwettfahrten und fröhlicher Geselligkeit – auf einer geschichtsträchtigen Inselgruppe, an dessen spannende Historie heute lediglich einige architektonische Überbleibsel, ein paar Straßennamen und die Bezeichnung eines Berges auf der Insel St.John erinnert.
(Info zur BVI Spring-Regatta: www.bvispringregatta.org).