50 Jahre und kein bisschen verstaubt: Der Korsar ist beliebter denn je. Foto: (c) Niessen.
Arudj, Turgut Reis und Cheir ed-Din Barbarossa waren die berüchtigsten und verwegensten Korsare, erzählte mir letztens mein Freund Hein. Da kennst sich der alte Seemann aus: Vom 16.bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts kaperten sie zahllose Schiffe christlicher Nationen. So weit, so gut. Als Ernst Lehfeld einen passenden Namen für seine kleine, nur fünf Meter lange Segeljolle suchte, wählte er eben diesen der Piraten, welche an der nordafrikanischen Küste und im Mittelmeerraum ihrem räuberischen Gewerbe nachgingen. Das war 1958, also vor genau 50 Jahren.
Sportliche Segler, die Wert legen auf schnelles Dahingleiten unter weißem Tuch, und die sich nicht scheuen, auch mal ins Trapez zu klettern und dabei pitschenass zu werden, kommen heute an der kleinen, mit 14,7 Quadratmetern am Wind (Großsegel 8,7 und Genua 6 Quadratmeter) gut betuchten Jolle mit dem Korsarenschwert im Groß kaum vorbei. Während die ersten, von Ernst Lehfeld konstruierten Korsare noch ausschließlich aus formverleimtem Sperrholz hergestellt wurden, kommen moderne Varianten der Zweimann-Jolle heute aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GfK) daher oder als sogenannte Sandwichbauten, Boote aus GfK und Sperrholz. Oder er wird, etwa von einer der bekannten Korsar-Edelschmieden Mader im bayerischen Waging / Fisching, in Epoxy-Glasfaser-Verbundbauweise hergestellt.
Der Korsar, der seinen Platz irgendwo zwischen der 470er Jolle und dem Flying Dutchman (FD) fand, gleicht in der Beschlagsanordnung weitgehend dem FD, was ihm auch den Spitznamen Mini-FD einbrachte: eine sogenannte Spinnakertrompete (ein Sack, aus dem ein bauchiges, 14,8 Quadratmeter großes Vorwindsegel, der Spinnaker, geführt wird, erklärt Freund Hein), verstellbare Wanten, ein Trapez und ein flexibler Mast machen das Boot das Boot für immer mehr sportlich ambitionierte Freizeitkapitäne interessant: Denn, jeder ist dank der überdurchschnittlich vielen Trimmmöglichkeiten quasi seines eigenen Sieger-Glückes Schmied.
So ist es auch zu erklären, dass sogar ältere Sperrholzbauten heute noch regelmäßig ganz vorn bei Regatten mitmischen können. Die Beliebtheit des kleinen Gleiters (so nennt man Jollen, die im Gegensatz zu Verdrängern eine extrem kleine vom Wasser benetzte Rumpffläche haben) lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: 3.700 Boote dieses Typs segeln heute allein in Deutschland, weitere 800 in Österreich und 500 in der Schweiz. Tendenz. ständig steigend. Auswanderer nahmen ihre Boote nach Chile und nach Kalifornien mit, und machten die nach den olympischen Klassen stärkte Flotte des Deutschen Segler-Verbandes auch dort bekannt.
5.000 Schiffchen sind es insgesamt, die heute weltweit registriert sind, außergewöhnlich für ein Boot dieser Größe. Lehfeld, der auch den Kiel- und den Schwertzugvogel zeichnete, wollte mit der Konstruktion des segelfertig nur 130 Kilogramm wiegenden Leichtgewichtes ein Boot schaffen, das auch bei stärkerem Wind von Frauen- und gemischten Crews gut zu beherrschen sein sollte. Das kam bei den Seglern gut an. So sei es auch zu erklären, dass das Idealgewicht der Mannschaft zwischen lediglich 140 und 160 Kilogramm liege, erklärt Dr. Thomas Pauer, Chef der deutschen Korsarenvereinigung mit Sitz in Neidenstein im Odenwald. Eine der Korsaren-Hochburgen hat sich über die Jahre stetig am Berliner Wannsee herausgebildet: Spitzensegler wie Uta und Frank Thieme, der Berliner Meister von 2006 und 2007, Axel Oberemm, Susi Krüger und Jörg Langner haben in der Szene einen guten Klang. Da verwundert es kaum, dass die mittlerweile einundvierzigste Berliner Meisterschaft im Südwesten Berlins auch in diesem Jahr alles, was Rang und Namen hat, dort versammelt.
Grund genug zum Feiern gibt es für die Korsare und deren Fans also wahrlich genug an diesem Wochenende. Bereits im Vorfeld gebe es viele Zusagen von aktiven Regattacrews aus ganz Deutschland, und auch einige Korsarensegler, die ihre Trockenanzüge und Trapezwesten schon lange an den Nagel gehängt hätten, würden in diesem Jahr in Berlin noch einmal am Start sein, freut sich Torsten Simon von der Korsarenvereinigung. Doch auch wer zunächst nur einmal selbst ausprobieren möchte, wie es sich anfühlt, einen Korsar zu steuern, hat Gelegenheit dazu: Der SC Ahoi besitzt einen clubeigenen Korsar, der gern an Interessenten verliehen wird, wirbt Carsten Fischbach, Flottenobmann der Berliner Korsare.
Ältere Jollen, mit denen durchaus auch im Spitzenfeld mitgemischt werden kann, gibt es dann schon für den schmalen Geldbeutel ab 1.000 Euro. Auf den Trimm kommt es – neben den seglerischen Fähigkeiten der Aktiven – vor allem an, preist Wettfahrtleiter Strasser das langlebige, robuste Boot. Und spricht dabei ganz im Sinne Ernst Lehfelds, der vor 50 Jahren seinen preiswerten, aber sportlich ausgerichteten Sperrholz-Korsar einer interessierten Öffentlichkeit präsentierte. Segeln Sie doch mal wieder, mit einer Jolle, rät Ihr Matt.Müncheberg, info@muencheberg-media.com. Denn: Nirgends ist man dem Element Wasser so nah wie auf der Kante des kleinen Gleiters, die Pinne in der einen, die Großschot in der anderen Hand und mit erfrischender Gischt im Gesicht. Die deutsche Korsarenvereinigung e.V. im Netz: www.korsar.de.