Das neue Logo der KiWo 2015, (c) KiWo
Ich gestehe: ja, auch ich bin ein Sammler. Das Objekt der Begierde: kleine, quadratische Metallplättchen, auf der Vorderseite emailliert, auf der Rückseite unbehandelt – Kieler Woche Plaketten. Teilnehmer des größten Seglerfestes erhalten sie mit der Anmeldung. Wer Glück hat, kann vor Ort eine am Kieler Merchandising-Stand erwerben. Die anderen gehen leer aus. Die Neue: blau, unscheinbar auf den ersten Blick, abstrakt. Viele kleine Rechtecke in verschiedenen Blautönen, dreißig an der Zahl, ergeben ein Gesamt-Blau. Das soll an „Lichtreflexe auf dem Wasser“ erinnern – und Raum für Interpretationen lassen. Und interpretiert – und kritisiert – wurde viel. Die Medien bezeichneten den 2015er Entwurf wenig taktvoll als blaues "Testbild“. Oder sie machten sich im Fernsehen über die Abstraktheit lustig. Auch in den sozialen Netzwerken brach ein mittelschwerer Shitstorm los. Dabei sei niemals vorher in der Geschichte der Kieler Woche das Thema blau so umfangreich dargestellt worden wie in dem Entwurf von "Zwölf", lobte die Jury. „Zwölf“ – das sind Stefan Guzy und Björn Wiede. Beide kommen aus- und arbeiten in Berlin. Guzy, Jahrgang 1980, machte sein Diplom an der Universität der Künste Berlin und studierte bei den Plakatgestaltern Holger Matthies, Daniela Haufe / Detlef Fiedler, Stefan Sagmeister und Melk Imboden. Wiede, Jahrgang 1981, studierte an der Universität der Künste Berlin und der Universität für angewandte Kunst Wien. Er machte sein Diplom in der Plakatklasse der UdK unter Melk Imboden und Fons Hickmann. Guzy und Wiede lernten sich 2007 während des Studiums an der Universität der Künste Berlin kennen und betreiben seitdem gemeinsam in Berlin-Kreuzberg das Büro "Zwölf". Ihr Entwurf ist mutig. Und aus Designsicht ist er gut. Dass das nicht alle so sehen, liegt in der Natur der Sache. Die Ansichten – und die Geschmäcker sind verschieden. Das war schon immer so. Da macht auch der mittlerweile 65 Jahre alte Designwettbewerb keine Ausnahme. So manches Mal ging es hoch her. Gleich zu Anfang gab es einen Eklat. Als die Stadt Kiel 1949 einen öffentlichen Wettbewerb ausschreibt, gehen mehr als tausend Entwürfe ein. Gesucht wurde ein neues Werbezeichen, ein neues Logo für die Stadt Kiel – und die Kieler Woche. Der soll nun, nach dem Krieg, mehr gesellschaftspolitische und kulturelle Bedeutung beigemessen werden. Arthur Langlet, Grafiker aus Wiesbaden, gewinnt die erste Ausschreibung. Doch sein stilisiertes Nydam-Boot erntet viel Kritik. So schafft es der Entwurf zwar nicht, als Grundlage für ein dauerhaftes Kiel-Logo zu dienen. Doch – in überarbeiteter Form – wird es schließlich Kieler-Woche-Werbemotiv des Jahres 1950. Hermann Bentele war es schließlich, der 1956 für Ordnung beim Bewerbungsverfahren sorgte. Der Muthesius-Werkschul-Lehrer führte einen geschlossenen Wettbewerb unter deutschen Kunstschulen ein. Zwei Jahre später wurde daraus ein Wettbewerb auf Einladung. Nun gibt es auch eine Fach-Jury, die aus einem Werbefachmann und zwei Grafikern besteht, darunter der Sieger aus dem Vorjahr. In der Folge steigt die Qualität der Entwürfe. Die Teilnehmer lesen sich seitdem wie das Who is who der deutschen und europäischen Gestalter-Szene. Einig sind sich die Werbefachleute und Gestalter, dass mit dem Entwurf von 1964 ein ganz großer Wurf gelungen sei. Hans Hillmann habe mit seinem weißen Segel auf blauem Grund „in der Reihe der Dreieckslösungen einen Abschluss“ dargestellt, der „keine weitere Steigerung mehr erlaubt“. Ein weiterer Eklat in der Geschichte des Wettbewerbes. Denn: dieser „ganz große internationale Plakat-Klassiker“ wäre beinahe gar nicht umgesetzt worden – und hatte es erst im zweiten Anlauf zum Kieler-Woche-Plakat geschafft. Auch die jüngste Zeit ist nicht frei von Störungen. Im Jahr 2000 etwa lehnten die Kieler Offiziellen den von der Jury gekürten Sieger rundweg ab – und setzten den zweitplatzierten Vorschlag durch. Längst ist aus dem Plakat- ein Corporate Design-Wettbewerb geworden. So nennen PR-Leute es, wenn ein Logo ganz verschiedene Dinge ziert: Fahnen, T-Shirts, Kugelschreiber - und natürlich die unter Sammlern längst Kultstatus errungenen Kieler Woche-Metallplaketten. Für die sehr seltenen Vorkriegs-Plaketten werden hohe dreistellige Beträge geboten; auch für die seit 1949 wieder hergestellten Exemplare müssen mittlerweile mehrere hundert Euro hingeblättert werden, etwa für den ersten Nachkriegs-Siegerentwurf von Niels Brodersen. Zum aktuellen Entwurf der „Zwölf“ mag man stehen, wie man will. Fakt ist, dass er polarisiert und zu Diskussionen anregt. Im besten Sinne macht er also Werbung für Kiel – und die Kieler Woche. Und das sollte ja eigentlich der Sinn dieser Übung sein. Fakt ist auch, dass Guzy und Wiede spätestens mit dem Sieg ihres gestalterischen Vorschlages ihren Ritterschlag in der Designszene erhalten haben. Denn der Wettbewerb um das beste Kieler Woche-Logo hat sich längst zum „Wettbewerb der Wettbewerbe“ in der Szene entwickelt. „Blaues Testbild“ hin oder her.