Boss an Bord; Teil 2
Fortsetzung. Manche Geschichten sind so absurd, dass sie nicht einmal Münchhausen zu erzählen gewagt hätte. Und gerade deshalb wahr. Vielleicht …
Im April-Heft war an dieser Stelle von einer unheimlichen Begegnung zu lesen: Skipper Gregor erzählte mir, dass im August 2009 bei einem stinknormalen Charter-Törn mit Start und Ziel in Barcelona Bruce Springsteen Teil seiner Crew gewesen wäre. Der Star hätte in Spanien mit seinem Manager gestritten und sich kurzfristig für einen Ausstieg unter Segel entschieden. Gregor berichtete auch von abenteuerlichen Dialogen zwischen „The Boss“ und einem gewissen Pepi, der das „Wienglish“ – eine Melange aus Englisch und Wienerisch – auf wundersame Weise zur Perfektion brachte, ich hielt meinen Freund ob seiner Schilderungen für einen zügellosen Baron Münchhausen.
Jedenfalls soll Pepi an Bord der Città Natale den Weltstar unter anderem mit folgenden Satzgebilden beglückt haben:
„Bruce, you have Backschaft! So please räum‘ the G’schirr weg!“
Oder: „Put some sun cream in your face, sunst erkennen’s dich by the next concert nimmer! Or they hold you for a Sioux-Indianer.“
Oder: „I know you are a big rock star, but Kurshalten is not yours, oder?“
Springsteen hat angeblich viel mehr verstanden als erwartet und über Pepi Tränen gelacht. Bei Landgängen habe sich „The Boss“ verkleidet, trotzdem seien ihm einsame Buchten lieber als Städte gewesen. Inkognito – gar nicht leicht an der Costa Brava! Nur einmal sei Bruce von einem Burschen erkannt worden. „Der ist fast in Ohnmacht gefallen und war zum Glück handlungsunfähig“, schilderte Gregor – und ich glaubte ihm immer noch nix.
Gegen Ende des Törns soll der Rockstar Pepi zu zwei Konzerten nach New York eingeladen haben. Frei übersetzt: „Pepi, mein Freund, du hast in dieser Woche meine Neuengland-Tournee gerettet. Ich wollte schon absagen. Im November bist du im Madison Square Garden und zwar mit den besten Tickets! Wenn du willst zwei Mal. Du fliegst First Class und wohnst im Four Seasons. Nimm‘ deine Freundin mit.“
Antwort von Pepi: „I have not a girl friend! But you can give me one of your Tänzerinnen from the Vorgruppe!“
Absurd – ich hatte endgültig genug von Gregors Aufschneiderei.
*
Szenenwechsel. Sechs Jahre später; eine Taverne in Grado: Am Nachbartisch berichtet ein Wiener von einem Superpromi, der mit ihm auf dem Schiff gewesen sein soll. Ich werde hellhörig: „Eigentlich darf ich euch das nicht erzählen“, sagt der Unbekannte. Dann flüstert er einen Namen, den ich nicht verstehe. Ein anderer johlt: „Geh bitte: Gebt’s dem Pepi ka Bier mehr! Der erzählt uns, dass er mit ’m Springsteen g’segelt is!“
Pepi wehrt sich: „Ich schwör ’s euch! Eine Woche von Barcelona weg. Danach war ich am 7. und am 8. November 2009 zweimal im Madison Square Garden bei ihm im Konzert! Und zwar ganz vorn’. Die zwei Tage vergess’ ich nimmer! Im Four Seasons hab‘ ich gewohnt. Vierzehn Tage lang auf seine Kosten.“
Ich gebe vor etwas vergessen zu haben und laufe zurück zum Schiff: Wozu gibt’s Internet? Der erdrückende Fakten-Check:
Europa-Tournee im Sommer 2009 – stimmt!
Die letzten beiden Konzerte in Spanien am 1. und 2. August – stimmt!
Das zweite in Santiago de Compostella – stimmt!
Nach dreiwöchiger Pause Beginn einer Tour durch Neuengland – stimmt!
7. und 8. November New York; Madison Square Garden – stimmt!
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Gregor, mein lieber alter Freund: Es tut mir unendlich leid, dass ich dich für einen Münchhausen gehalten hab’! Bin fassungslos. Oder wie Pepi zu Bruce sagen würde: „I mean I dream!“
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Zurück in der Taverne. Neben Pepi sitzt jetzt seine Freundin, die erst später gekommen sein dürfte. Er spricht mit ihr Englisch – so gut er eben kann: „You want some Nachtisch behind the Fish?“ Die bildhübsche junge Frau lehnt ab.
Ich bin sicher sie ist Tänzerin. From the Vorgruppe.