- Segelyacht
- 2024
- 12 m
Beneteau Oceanis 40.1
St. Vincent und die Grenadinen, Windward
- 8 Kojen
- 3+1 Kabinen
- 2 WC
Karibik ist eben Karibik, für jeden Segler wahrscheinlich das Traumrevier schlechthin. Nicht nur, weil man unter tropischer Sonne mit in der Regel idealen Windverhältnissen segeln kann, sondern auch, weil die karibische Lebensart in der bunten Inselwelt den Kontrast zum europäischen Alltagstress darstellt, den man sich um Urlaub wünscht.
Ich bin mit meiner Crew - Frank, Detlef und Gerhard - am Donnerstag, den 3. März, mit Condor angereist, der Flug von Frankfurt verlief in der Premium Economy Class angenehm und störungsfrei. Abends haben wir in Grenada unser Boot, einen Katamaran Lipari 41, bezogen. Katamarane sind in der Karibik weiter verbreitet als in Europa und zu viert hat man wirklich üppig Platz. In der Marina angekommen, konnten wir das Boot gleich beziehen, die Übergabe fand erst am Freitag früh stattfand.
Wenn man als Deutscher aus dem Arbeitsleben in die Karibik kommt, hat man immer so seine Schwierigkeiten, sich an die karibische Zeit zu gewöhnen. Und das liegt nicht nur an der Zeitverschiebung. Am Freitag war um 9:00 Uhr bei Richard von Dream Yacht Charter noch ein Briefing für die Skipper angesetzt. Ich dachte deshalb, das es ausreicht, wenn wir um 8:00 Uhr im Restaurant der Marina zum Frühstück gehen. Die maximal pigmentierten Kellnerinnen waren hübsch anzuschauen und beim Anblick gab es kaum Bewegungsunschärfe. Mein Frühstück (English breakfast) kam 8:55 Uhr. Ich musste es nach ein paar hastigen Bissen meiner grinsenden Crew überlassen, die keine Problem damit hatte, es unter sich aufzuteilen. Beim Briefing bekamen wir eine Einweisung ins Segelrevier und auch die Wettervorhersage für die nächsten Tage mit auf den Weg. Für die nächsten Tage war Südostwind angesagt, was uns sehr gelegen kam. Damit war es möglich, zunächst von Grenada im Süden in großen Strecken nach Norden bis St. Vincent zu fahren und dann die Inselwelt der Grenadinen zwischen St. Vincent und Grenada von Norden her aufzurollen. Denn in der Regel kommt hier der Passat-Wind aus östlichen bis nordöstlichen Richtungen, so dass dann auf der Fahrt nach Süden entspanntes Raumwind-Segeln zu erwarten war. Am Freitag haben wir eingekauft und ausklariert. Das bedeutet, dass wir uns bei der Einwanderungs- und Zollbehörde abmelden mussten, da wir den Staat Grenada verlassen wollten.
Wir wollten den Törn völlig stressfrei angehen und sind am Sonnabendmorgen früh aufgebrochen und bis Union Island an der Südgrenze des Staatsgebietes von St. Vincent gekommen. Der Haupthafen, Clifton Harbor, ist einer der wenigen Häfen in den Grenadinen, der auf der Luvseite (windzugewandten Seite) der Insel gelegen ist. Normalerweise sind dort auch die Wellen recht heftig, so dass man in der Regel für Häfen die wind- und wellengeschützte Leeseite der Inseln bevorzugt. In Clifton Harbor liegt aber ein großes Riff vor dem Hafen, an dem sich die Wellen brechen. So gibt es dort zwar keine Wellen aber viel Wind, was dem Klima an Bord zugutekam. Wir hatten so um die 29 °C und in der Sonne war es kaum auszuhalten. Unter Deck wird es dann ohne ein Lüftchen sehr schnell unerträglich. Abends waren wir in Lambis Bar, wo wir vor zwanzig Jahren auch schon einmal waren. Damals war ich das erste Mal in der Karibik und hatte von Segeln noch keine Ahnung. Wir hatten bei Lambi's einen unvergesslichen Abend verbracht, mit gutem Essen, tollen Drinks und Steelband-Musik. Dabei wird auf so einer Art Trommeln gespielt, die aus den Böden von Stahlfässern bestehen. Als bei den schwarzen Sklaven Musikinstrumente nicht erlaubt waren, entwickelte sich diese besondere Art Musik mit einem ganz speziellen Klang. Die Erinnerungen von damals wurden aber nicht annähernd erreicht. Als wir ankamen, waren wir die einzigen Gäste, das Essen schmeckte nicht und die Drinks hatten wir alle viel besser in Erinnerung. Die Steelband-Musik war mit drei Leuten dürftig besetzt, sonst sind es an die zehn. Vielleicht hätten wir besser woanders hingehen sollen, jetzt ist eine unsere besten Erinnerungen von damals gelöscht oder, besser gesagt, überschrieben.
Am Sonntag ging es weiter nach Norden bis Bequia (spricht sich wie Beck-Way). Der Wind kam schon nicht mehr so sehr südlich, entsprechend war der Kurs härter am Wind und das Segeln weniger angenehm. Wir konnten aber schon mal die Inseln sehen, die wir in den nächsten Tagen besuchen werden. Am Abend lagen wir hier in der Admiralty Bay vor Bequia und warteten auf den Sonnenuntergang, der in der nach Westen offenen Bucht gut zu sehen war. Nach dem Sonnenuntergang und dem obligatorischen Sundowner sind wir an Land gegangen und haben dort in der Black Pearl fürstlich gespeist. Die Black Pearl war zwar nicht das Schiff von Captain Jack Sparrow, aber ebenso exklusiv, jedenfalls was das Essen angeht. Zunächst hatten wir ein kurzes Dejavu, weil wir wieder die einzigen Gäste waren, als wir kurz nach Sonnenuntergang dort ankamen. Vielleicht liegt es daran, dass wir Deutschen im internationalen Vergleich sehr früh zu Abend essen. Die anderen Tische füllten sich bald. Frank und ich hatten ausgezeichneten Lobster (große Krebse - Hummer oder, wie in unserem Fall, Langusten) vom Grill, Detlef und Gerdi eine Seafood-Pasta, die ebenfalls sehr gut aussah und augenscheinlich schmeckte. Mit Vorspeise, Dessert und Wein waren wir dann eine stattliche Summe los, wobei jeder von uns umgerechnet auf etwa 80 kam. Ein Schnäppchen.
Am Montag ging es weiter in Richtung St. Vincent. Ursprünglich hatten wir die blaue Lagune ins Auge gefasst, sind aber dann in die kleine Bucht Petit Byahaut an der Südwestküste gefahren, wo es nach meinem Törnführer einige Bojen und ein Restaurant zum Abendessen geben sollte. Es heißt dort: Ein idealer Ort für Naturliebhaber, Lichtjahre vom Alltag entfernt, aber nicht nur für Tarzan und Jane, sondern eher für Reisende, die schon überall waren, aber noch nie richtig Ferien gemacht haben. Den gediegenen Luxus und das Ambiente bietet hier eigentlich die Natur. Wir fanden die Bucht, aber Bojen waren nicht zu sehen. Im Dschungel am Strand konnte man etwas erkennen, was mal Häuser gewesen sein könnten. Eine Inspektion an Land bestätigte dann, dass die Natur von unserem Restaurant schon wieder Besitz ergriffen hatte. Junge Bäume wuchsen da, wo wohl mal die Tische gestanden hatten. Möglicherweise ist Ruhe und Abgeschiedenheit doch nicht so gefragt, wie der Restaurantbetreiber erwartet hatte. Uns sollte es trotzdem recht sein. Wir waren allein in der Bucht, nicht mal das Handy-Netz reichte bis zu uns. Die Korallenküste lud zum Schnorcheln ein und beim Sonnenuntergang saßen wir diesmal in der ersten Reihe. Und das alles gabs zum Nulltarif. Einfach nur herrlich. Was den Törnführer angeht, sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass es sich um die 9 Jahre alte Ausgabe "Segeln in der Karibik 1" von Bernhard Bartholmes handelt. Ich hatte mich vor dem Törn vergeblich bemüht, eine aktuellere Ausgabe zu bekommen. Vielleicht sollte ich auch noch erwähnen, dass uns die Nachricht vom erschossenen deutschen Segler in der Wallilabou-Bucht erst später erreicht hat, sonst hätten wir die Nacht in der einsamen Bucht nicht so genießen können. Aber ich denke, es ist einfach Pech, das man nicht wirklich beeinflussen kann. Das letzte Mal war sowas vor 18 Jahren passiert. Da ist es wahrscheinlicher, im falschen Flieger zu sitzen.
Dienstagmorgen sind wir zur Marina in der blauen Lagune an der Südspitze von St. Vincent gefahren, weil unser Wasservorrat sich schon deutlich dem Ende zuneigte. Außerdem meinte unser Koch Detlef, dass auch wieder Einkäufe vonnöten wären. Nachdem die Vorräte aufgefüllt waren, ging es nach Süden in Richtung Mustique. Die Insel liegt im Südosten von St. Vincent etwa 20 Seemeilen entfernt. Auf dem Weg zu unserer Übernachtungs-Bucht wollten wir im Norden der Insel noch ein Wrack ansehen, dass dort auf nicht mal 10 Meter Tiefe im Wasser liegen soll. Bei der Annäherung zeigten unsere Instrumente merkwürdige Werte. Während wir laut GPS schon stillstanden, machten wir laut Logge (Geschwindigkeitsanzeige des Bootes), noch deutlich Fahrt durchs Wasser. Wir haben den Anker runter gelassen, aber er wollte lange nicht halten und als er dann doch hielt, war die Ankerkette sofort ziemlich straff. Unser Boot wurde nach Westen gezogen und die Logge zeigte immer noch fast 3 Knoten (ca. 5 km/h). Allmählich dämmerte es uns: Der Gezeitenstrom setzte an der Nordspitze der Insel nach Westen. Wäre jemand ins Wasser gegangen, wäre er hoffnungslos abgetrieben worden. Mit etwas Fracksausen mussten wir das Wrack sausen lassen und weiterziehen. Die Insel Mustique ist im Besitz einer privaten Firma, der Mustique Company. Es gibt auf der Insel viele Villen von reichen Privatleuten wie Mick Jagger, Bryan Adams und Tommy Hilfiger. Dass es hier exklusiver zugeht, wurde schon klar, als wir um die Gebühr für die Boje gebeten wurden. Im meinen veralteten Reiseführer stand noch ein Wert von 75 East Caribbean Dollar (EC$) für eine Übernachtung, jetzt waren es schon 75 US$. Der Kurs von EC-Dollar zu US-Dollar beträgt etwa 2,6 zu 1. Wer diesen Preis bezahlt, hat zwei weitere Übernachtungen gratis. Man bezahlt also letztendlich für 3 Nächte. Ein cleverer Schachzug, da man unter dem Motto animiert wird: Wenn wir eh schon bezahlt haben, können wir auch noch bleiben - und weiteres Geld auf der Insel ausgeben. Am Abend durfte ein Besuch in Basils Bar nicht fehlen. In dieser Kultkneipe am Strand treffen sich die Segler und es soll sich auch ab und an mal ein Prominenter hin verirren. Wäre ja cool gewesen, mit Mick Jagger einen Drink zu nehmen, war uns aber diesmal leider nicht vergönnt. Es gab Live-Music, das Essen war gut, aber die Drinks haben uns nicht überzeugt. Da zaubert uns Detlef an Bord deutlich besseres in die Gläser.
Am nächsten Morgen wollten wir uns ein Mule (Maultier - so nennen sie hier kleine offene Autos) ausleihen, um uns die Insel etwas genauer von Land aus anzusehen. Dabei stießen wir wieder auf ein Problem, wie es so ähnlich schon der Hauptmann von Köpenick kannte. Für das Auto brauchten wir zu unserem Führerschein eine Fahrerlaubnis für Mustique. Die gab es im Einwanderungsbüro am Flughafen. Dort kam man aber nur mit dem Auto hin. Also haben wir uns gleich ein Taxi genommen und uns über die Insel fahren lassen. Höhepunkt neben den Villen waren die ziemlich leeren Strände an der Nord- und Ostseite der Insel. Der Marconi-Beach im Osten der Insel ist frei zugänglich. Hier sieht man die Atlantikwellen sich draußen am Riff brechen und dann gezähmt im türkisblauen Wasser auf den Strand rollen. Einfach toll. Am Abend wollten wir noch einmal gut in Basils Bar zu Abend essen. A la carte gab es nicht, es war Barbecue-Abend. Hörte sich erst mal toll an, sollte aber pro Person 50 US-Dollar kosten. So viel Hunger hatten wir dann doch nicht. Also sind wir aufs Boot zurückgekehrt und es gab zu Detlefs Drinks wieder Nudeln mit Spezial-Karibik-Tomatensoße. Unbeschreiblich lecker für insgesamt 5 .
Donnerstag hatte der Wind auf Nordost gedreht und deutlich zugenommen. Für unsere Überfahrt nach Canouan hatten wir fast Rückenwind der Stärke 5 bis 6. Wir sind nur mit unserem großen Vorsegel, der Genua, gesegelt. Segeln mit Wind von hinten ist deutlich angenehmer als hart am Wind. Dadurch, dass sich der wahre Wind und der Fahrtwind teilweise aufheben, pfeift es an Bord nicht so. Wenn die Wellen von hinten zuerst das Heck anheben, surft man manchmal auf ihnen ein Stück mit, bevor sie das Boot überholen. Allein mit der Genua haben wir 6 Knoten Fahrt gemacht und wenn Welle-runter-Surfen und Böe dazukamen, waren es schon mal 10. Bei Wind genau von hinten, dem Vorwindkurs, kann man ja auch noch das Großsegel dazu nehmen und die beiden Segel nach verschiedenen Seiten ausstellen. Aber jeder, der schon mal den sogenannten Schmetterling gesegelt ist, weiß, wie schwer der Kurs zu halten ist und wie leicht das Boot aus dem Ruder läuft. Meistens rechtfertigt der Gewinn an Geschwindigkeit das Mehr an Stress nicht. Wir sind zunächst an die Südküste von Canouan gefahren und haben uns dort eine Bucht, die Friendship Bay, zum Schnorcheln gesucht. Aber der Wind hatte noch zugenommen und war auch in der Bucht deutlich zu spüren. Das Wasser dort war ziemlich in Bewegung und hatte vom Untergrund so viel aufgewühlt, dass die Sicht unter Wasser auf zwei Meter geschrumpft war. Da macht auch das Schnorcheln keinen so richtigen Spaß mehr. Immerhin lag unser Schiff ruhig und sicher, so dass wir Siesta halten konnten. Als die Sonne sich dem Westhorizont zuneigte, sind wir in die Hauptbucht von Canouan, die Charlestown Bay umgezogen. Mit der Charleston Bay verbinden uns alte Erinnerungen. Als wir vor 20 Jahren das erste Mal da waren, hat unser damaliger Skipper Erich dort geankert. Wir hatten an der Bar schon ein paar Drinks genommen, als ein Einheimischer uns ganz aufgeregt fragte, ob das unser Boot ist, das da gerade abtreibt. Die Einheimischen hatten sich der Sache schon angenommen und waren gerade dabei, den Kahn an eine Boje zu legen. Damals ging mich das alles noch nicht richtig was an, aber diesmal sind wir lieber gleich an eine Boje gegangen. Vor 8 Jahren war ich nochmal hier. Von daher kannte ich die Bucht als eine, in der man sehr ruhig liegt und im Restaurant am Strand sehr gut essen kann. Nicht so diesmal. Der Wind hatte Wellen aufgebaut, die von Norden kamen und auch in die Charlestown Bay reichten. Beim Festmachen an der Boje hatten wir noch Schwell von gut über einem Meter, was das Manöver schwierig gestaltete. Als das Boot endlich fest war, schaukelte es mächtig, so dass wir Mühe hatten, an Bord zu laufen. Vor Sonnenuntergang wollten an Land gehen. Schon das Einsteigen in das Dingi war sehr sportlich. Am Steg vor dem Restaurant angekommen stellten wir fest, dass die Leiter zum Aussteigen schon in der Brandung lag und es vor der Brandung am Steg zu hoch war. Naja, meistens jedenfalls. Wenn gerade eine Welle kam, waren wir mit dem Dingi fast auf Stegniveau, sonst einen Meter darunter. Gerdi, unser Dicker, hat gestreikt und wollte zurück. In Anbetracht der Tatsache, dass die Rückfahrt im Dunkeln hätte stattfinden müssen, haben wir alle unseren Anlandeversuch abgebrochen. Wir sind zurück zum Schiff gefahren und haben unsere Vorräte geplündert.
Am Freitag sind wir weiter nach Süden in die Tobago Keys gefahren. Die unbewohnten Inseln inmitten des Horseshoe Reef (Hufeisen-Riff) sind einer der schönsten Plätze in der Karibik überhaupt. Egal ob weiße Sandstrände mit Palmen zum Baden im türkisblauen Wasser davor oder Korallenriffe zum Schnorcheln, hier ist alles so, wie man sich die Karibik vorstellt. Jedes Foto, das man macht, wirkt wie eine kitschige Postkarte. Am Abend waren wir auf Petit Bateau, eine der Tobago-Keys-Inseln, zum Abendessen. Den ganzen Tag schon waren die schwarzen Jungs in ihren Booten vorbeigekommen und hatten gefragt, ob wir auch Lobster vom Grill essen möchten. Wir konnten uns ziemlich schnell auf ein Ja einigen. Unser Termin war 17:30 Uhr, eine dreiviertel Stunde vor Sonnenuntergang. Am Strand angekommen waren schon jede Menge Leute da. Die meisten sahen aus wie wir, leicht gebräunte bis verbrannte Weiße in kurzen Sachen. Heraus stachen ein paar Deutsche, die Mützen aufhatten, wie sonst die Jungs mit den Rasterlocken, so hohe Türme, unter denen die Locken stecken. Allerdings waren diese Mützen schwarz-rot-gelb gefärbt, was sie ziemlich albern aussehen ließ. Neben unserem Tisch war eine größere französische Crew komplett in Weiß, weiße T-Shirts, die Frauen mit weißen Röcken, die Männer mit langen weißen Hosen. Da sie ebenso wie wir mit dem Beiboot am Strand angelandet waren, waren die langen Hosen unten dunkler als oben, weil sie nass waren. Bei uns waren zum Glück nur die Füße nass geworden. Unser maximal pigmentierte Freund Xavier, bei dem wir gebucht hatten, antwortete auf die Frage, ob wir ein Bier bestellen können: Ask the fat lady there. Das taten wir auch und bekamen unser Bier. Dabei konnten wir sehen, wie die Lobster zubereitet werden. Noch lebend wurden ihnen zunächst die langen Antennen abgeschnitten, dann wurden sie längs in der Mitte durchgehackt und auf den Grill gelegt. Dort hauchten sie zuckend den Rest ihres Lebens aus. Sie wurden uns serviert, als sie gut durch waren, und schmeckten hervorragend. Trotzdem wird der Abend bei uns als das Lobster-Massaker von Petit Bateau in Erinnerung bleiben.
Sonnabend früh haben wir die Keys verlassen und sind nach Mayreau in die Salt-Whistle-Bay gefahren. Sie ist ebenso ein absolutes Traumziel in der Karibik. Der Hauptteil der Insel ist mit einer im Norden vorgelagerten Erhebung über einen schmalen Streifen Land verbunden, der überwiegend aus Sand besteht und mit Palmen bewachsen ist. In der Bucht hat man das türkisblaue Karibik-Wasser und auf der anderen Seite des Landstreifens sieht man die Wellen am Riff brechen. Am Strand gibt es mehrere Buden. Eine davon ist eine Bar, in der eine Piña colada angeboten wird, wie ich sie nirgendwo besser geschlürft haben. Wir hatten ein Abendessen am Strand, das uns wieder einer der Boatboys vermittelt hatte. Mayreau ist eine der ärmeren Inseln und die Bewohner bemühen sich, mit Serviceleistungen für die Yachties etwas Geld zu verdienen. Das Restaurant fanden wir in einfachsten Verhältnissen mit schiefen Tischen und Wachstuchdecken. Aber wir wurden schon erwartet und es wurde bald gegrillter Fisch serviert. Der war richtig lecker und schmeckte wesentlich besser als er aussah.
Am Sonntagmorgen sind wir zunächst nach Union Island gefahren, um auszuklarieren und einige Einkäufe zu machen. Insbesondere brauchten wir wieder Wasser. Unser Tank an Bord fasst 450 l und war nur noch knapp viertelvoll. Da nach jedem Bad im Meer das salzige Karibikwasser mit der Deckdusche abgespült werden sollte, ist so ein Rest schnell aufgebraucht. Das Ausklarieren fand wegen des Wochenendes auf dem Flughafen von Union Island statt. Man muss dabei sowohl in der Einwanderungsbehörde als auch beim Zoll ein Formular mit Angaben zur Yacht und der Crew an Bord ausfüllen. Ich hatte Crewlisten schon zu Hause mehrfach ausgedruckt, was die Sache etwas abkürzte. Ich fragte mich, ob das wirklich nötig ist, wo die Karibikstaaten eine einheitliche Währung (Eastern Caribbean Dollar- EC$) und ein einheitliches Telefonnetz haben und eine Grenzkontrolle ohnehin nicht stattfindet. Wenn schon eine Währungsunion, warum dann nicht auch eine Yachtunion? Nach Abschluss der Formalitäten wurde ich um eine Bearbeitungsgebühr von 75 EC$ gebeten. Da hatte ich die Antwort. In Clifton Harbor hätten wir längere Zeit auf Wasser warten müssen. Ein Boatboy sagte uns, dass wir Wasser auch in Petit St. Vincent, in Seglerkreisen nur PSV genannt, bekommen würden. Also brachen wir auf. Vor Mopion haben wir noch einen kurzen Stopp eingelegt, einer kleinen, wenige Quadratmeter großen Sandinsel, auf der nichts weiter steht als ein großer Sonnenschirm. Eine Karikatur von einer Insel. Die Insel PSV ist in privater amerikanischer Hand und als Hotelinsel ausgebaut für gut betuchte Kunden, die ihre Ruhe haben wollen. Man kann in der Bucht vor der Insel ankern und als Segler einzelne Bereiche der Hotelanlage wie z.B. die Strandbar nutzen. Auf PSV hat der amerikanische Lebensstil voll Fuß gefasst. Die Strandbar war edel, so dass wir nach ein paar Drinks beschlossen, dort auch zu Abend zu essen. Das Essen, in meinem Falle the catch of the day, gegrillte Goldmakrele, war sehr gut. Auch die Jungs waren zufrieden mit ihren Speisen. Allerdings ließ man sich den Luxus fürstlich bezahlen. Dafür hätten wir in Mayreau eine Woche lang essen können.
Frank, unser Taucher, hatte am Dienstag Tauchgänge in Grenada gebucht. Deshalb mussten wir am Montag bis zur Südseite von Grenada kommen, wenn Frank pünktlich sein wollte. Also hatten wir mit 35 Seemeilen eine ganz schöne Strecke vor uns. Als wir am Morgen am Steg des Hotels noch Wasser nehmen wollten, wurden wir brüsk abwiesen. Kein Wasser vom Luxushotel für gewöhnliche Yachties. Also sind wir nach Carriacou aufgebrochen in der Hoffnung, dort Wasser zu bekommen. Carriacou gehört schon zum Staat Grenada und wir mussten dort wieder einklarieren. In der Einwanderungsbehörde in Hillsborough dauerte es eine halbe Stunde, obwohl ich sofort dran kam. Über die Details will ich gar nicht weiter nachdenken, aber ich werde die dunkelhäutige, etwas indianisch aussehende Beamtin in schicker Uniform mit weißer Bluse und dunkelblauer Hose, die mir die Bedeutung der Einreiseprozedur nahe brachte, als Formular-Domina in Erinnerung behalten. In der benachbarten Tyrrel Bucht fanden wir nach kurzer Suche auch die Tankstelle, an der es Wasser geben sollte, und legten dort kurz nach 12 Uhr. Uns wurde mitgeteilt, dass wir bis 13 Uhr warten müssten, da der Master der Tankstelle gerade zu Mittag gegangen wäre. Mich überkam das ungute Gefühl, dass es äußerst knapp werden könnte, um noch im Hellen bis an die Südseite von Grenada zu kommen. Aber was half es, ohne Wasser zum Duschen ist es auch blöd. Der Master of the station erschien 12:59 Uhr. Meine Bitte um Wasser wurde mit dem Hinweis beantwortet, dass er noch lunch break habe. Er war dann aber doch so gnädig, uns den Wasserschlauch schon mal rüber zu reichen und das Wasser anzustellen. Bis der Wassertank voll war, dauerte es eine weitere halbe Stunde. Wir sind kurz nach halb 2 in Richtung Süden aufgebrochen. Bei gutem Wind und unter vollen Segeln sind wir im Schnitt zwischen 7 und 8 Knoten gefahren. Während der Fahrt wurde meine Befürchtung zunehmend Gewissheit: wir werden es nicht mehr bis zum Sonnenuntergang schaffen. Bei mir machte sich allmählich eine gewissen Panik breit. Der Übergang von Tag zu Nacht verläuft in diesen Breiten sehr rasch. Beim Sonnenuntergang stürzt die Sonne förmlich ins Meer. Sie braucht vom Berühren des Horizonts bis zum Verschwinden keine zwei Minuten. Danach bleibt vielleicht noch eine halbe Stunde und dann ist es stockdunkel. Mit Taschenlampen durch die Riffe in der Buchteinfahrt manövrieren zu müssen, ist für jeden Skipper der absolute Alptraum. Als wir die Südküste erreicht hatten, sahen wir die Sonne im Meer versinken. Eine Viertelstunde später waren wir an der Einfahrt zur Bucht und konnten die Tonnen gerade eben noch so in rot und grün unterscheiden. Mit dem letzten Licht des Tages fand sich in der Spitze der Bucht Mt. Hartman eine Marina, und wir legten sauber am Steg an. Beim Anlegerdrink brauchten wir schon Beleuchtung. Neben uns am Steg sahr ich eine Versorgungssäule mit Strom und ... Wasser.
Am Dienstag verließ uns Frank schon am frühen Morgen, um sich unter Wasser das Wrack der "Bianca C" anzusehen, die dort am 22. Oktober 1961 vor der Einfahrt in den Hafen von St. Georges gesunken war. Er kam Nachmittag ziemlich begeistert zurück. Der Anblick des Luxusschiffes in 40 Meter Tiefe muss im klaren Karibikwasser atemberaubend gewesen sein. Wir anderen drei verbrachten den Tag ziemlich ruhig vor Hog Island. Dort lagen ziemlich viele Yachten vor Anker. Möglicherweise auch deshalb war das Wasser in der Bucht so trübe, dass nicht einmal der Anker in 5 Metern Tiefe zu erkennen war. Alles klar in der Karibik? Naja, was das Wasser angeht, mal so, mal so.
Für unseren letzten Tag vor der Abreise hatten wir uns eine Inselrundfahrt auf Grenada organisiert. Raymund, der uns schon bei der Anreise vom Flughafen abgeholte hatte, zeigte uns von der Küste bis hoch in den Regenwald die Insel mit ihren verschieden Früchten und Gewürzen. Wir besuchten eine Muskatnuss- und Schokoladenfabrik. Der Export von Muskatnüssen trägt wesentlich dazu bei, dass Grenada wirtschaftlich deutlich besser dasteht als der nördliche Nachbar St. Vincent. Die Arbeitsbedingungen in der Muskatnussfabrik wäre allerdings in Deutschland ein Fall für die Gewerkschaften. Die Nüsse werden, nachdem sie vom Fruchtfleisch und der sogenannten Muskatblüte befreit sind, maschinell aufgebrochen. Arbeiterinnen lesen dann die Kerne heraus. Wir waren uns nicht sicher, ob wir den Muskatnussgeruch einen Arbeitstag lang aushalten würden. Die Frauen hatten sich zum Teil Mundtücher umgebunden. Oben im Regenwald von Grenada war es von der Temperatur her deutlich angenehmer. Raymund zeigte uns auch den Grand Etang Lake im gleichnamigen Nationalpark. Es handelt sich um den mit 550 m höchstgelegen See der Insel in einem erloschenen Vulkankrater. Am Ufer standen Schilder, dass Angeln streng verboten ist. Ein Blick ins Wasser zeigte uns auch warum. Riesige Kois tummelten sich darin. Wir haben den Ausflug nicht bereut, auch wenn er nicht zum Törn im engeren Sinne gehörte. Ein schöner Abschluss unserer Reise.
Am Donnerstag stand im Zeichen der Abreise. Am Morgen wurde das Boot übergeben. Im Restaurant der Marina warteten wir auf unseren Flieger, der uns über Barbados zurück nach Deutschland bringen sollte. Da er verspätet eintraf und ein Startversuch wegen einer unklaren Cockpit-Anzeige abgebrochen werden musste, war die Sonne schon untergegangen, als wir uns endlich über die Wolken erhoben. Mit etwas Wehmut blickten wir aus dem Fenster und dachten an die erlebnisreiche Zeit, die wir hier verbracht hatten. Was uns bleibt, sind die Erinnerungen und die Gewissheit: nach dem Törn ist vor dem Törn.