Segellehrer Richard Jeske bei der prakitschen Ausbildung auf dem Rettungskutter des polnischen Großseglers Dar Mlodziezy. F.: May
Wer macht eigentlich Sportbootführerscheine? Was sind das für Menschen, die sich durch die Weltferne einer Sprachdiktion quälen, wie sie wirklich nur von amtlichen Prüfern des Bundesministeriums für Verkehr erfunden werden kann. Als Wassersportreporterin habe ich mich für diese Frage eigentlich schon immer interessiert. Also wollte ich, obwohl bereits ordentlich sportlich gesegelt, meinen Erfahrungshorizont auf die Großsegelei ausweiten. Auf einem Windjammer mit dem Sturm, den Kadetten und anderen Neugierigen, die mehr vom Leben lernen wollen, mit dem Wind um die Wette zu heulen, das bietet nur eine deutsche Segelschule. Zumindest dann, wenn man einen solchen Kursus mit den höheren Weihen des Sportbootführerscheins See beschließen will. Da sah ich sie nun, die Wißbegierigen, die sich am Meer berauschten, beim Lernen mit dem Navigationsbesteck gegenseitig halfen, über die Kennung und Farben von Leuchtfeuern gemeinsam berieten und das Über- und Nebeneinander von roten und grünen Lichtern präzisierten. Professoren und Ingenieure, Feuerwehrmänner, Buchautoren, leitende und leidende Angestellte bei großen Unternehmen und lokalen Sparkassen. Alle mit dem selben Ziel: Lernen. Das Meer erfahren. Und das nicht nur auf der Brücke und in der Messe des 109,50 Meter langen polnischen Seegelschulschiffes Dar Mlodziezy, sondern sehr Wasserverbunden auf dem der Rettungskutter mit laut tuckerdem Schiffsdiesel. (So praxisnah war die Ausbildung, dass ich mir beim Kuppeln wegen der knallharten Kinematik einen Bluterguss in der linken Handinnenfläche zugezogen habe.)
Nirgendwo sonst ist mir jemals so bewußt geworden, wie schön es sein kann, wenn der Schmerz nachlässt und man von dem Mehr-Wissen des einen und der Weitergabe an den anderen mit Liebe zum Detail Nutzen zieht. Und das bis weit nach Sonnenuntergang, denn da beginnt naturgemäß die Welt der nächtlichen Lichter der 100-Tausend-Tonnen-Container-Schiffe ebenso wie die der 20 qm Jollenkreuzer.
Wissensdurst schafft überraschenderweise vor allem: Stress. Wer an Bord eines Großseglers einen Führerschein machen möchte, der merkt von der ersten Stunde an, dass dies ein ambitioniertes Unterfangen wird und plötzlich hat auch der Hochschulprofessor eine neue Erfahrung in seinem Tornister: die Entdeckung der Langsamkeit war früher. Jetzt hingegen, gibt es selbst für ihn, den Lerngewohnten, keine Zeit für nichts mehr. Der Stundenplan rollt so rigide, wie die Wellen des Meeres, über die Sehnsucht nach mehr Muße der Kursusteilnehmer hinweg und diktiert einen knappen und präzisen Tagesablauf. 8 Uhr Frühstück. 12.30 Uhr. Mittag. 18.00 Uhr Abendbrot. Dazwischen zwei kurze Tee- oder Kaffeepausen. Dazwischen und danach, bis in die späten Abendstunden, wird gebüffelt. Fazit: den Roman kann man zu Hause lassen. Zu bereuen wird es nichts geben. Im Gegenteil, alle haben gesagt, sie würden es jederzeit wieder tun. Sehr wichtig dabei war ganz ohne Zweifel die Intensität mit der man sich auch menschlich näher kommt, obwohl man die Zeit dafür kaum vermutet.
Es ist eben doch das Meer an sich, welches verbindet.
Auf bald eben dort
Ihre Jenny May
PS: Die Segelschule erreicht man unter: www.well-sailing.de