Hemingways Erben

Angler sind einfache Menschen. Geradeheraus, tun sie alles dafür, den Fisch zu überlisten. Je unberechenbarer, desto besser. Hemingway, der alte Mann der Angelei, hat das und das Meer so trefflich beschrieben, dass ich an dieser Stelle auf keinen Fall den Versuch starten will, es besser zu machen. Vielleicht ein bisschen anders. Dazu erzähle ich die folgende Begebenheit, die dem ein oder anderen Segler auch als Anregung dienen möchte. Während einer Segelreise vor der Küste der kleinen Privatinsel Mustique in der karibischen See hatte ich einmal einen Skipper, der Fisch hasste wie die Pest. Er verbarg diese Abneigung allerdings hinter dem wohlfeilen Slogan vieler Marines: ?Iss nie deine Außenbordkameraden, wer weiß, wann sie sonst dich mal essen könnten.? Nun geschah es gerade unter jenem Skipper, für den ich, damals Deckshand, arbeitete, dass ein gut 1,50 Meter langer Blue Marlin dem Köder erlag, den ich an den Haken einer 50 Meter langen Schleppleine hinter unsere Segelyacht gehängt hatte, die mit gemütlichen fünf Knoten in Lee von Mustique durch die See pflügte. Ein Glücksfang. Hemingway würde Ihnen dieses Glücksgefühl auf sicher 250 Buchseiten nahe bringen. Ich hingegen rief über Handy einen mir bekannten Restaurantbesitzer auf Mustique an und bot ihm den Fang für seine abendliche Küche. Die Speisekarte war schon geschrieben, als wir auf die Bucht zusegelten, in der wir gleich vor dem fraglichen Restaurant ankern und unseren Fang abliefern wollten. Toll. Ich freute mich auf meinen Lohn: fast 1000 Dollar war der Fang wert, den wir lebend hinter uns herzogen, weil mein Skipper mir nicht erlaubte, das Tier an Bord zu ziehen und zu töten, wie es sich waidmännisch gehört hätte. Nun gut, des Skippers Wille ist das Himmelreich ? in diesem Fall leider eines anderen. Wir sahen ? wie gesagt ? das Restaurant bereits, als es hinten an der Leine gewaltig ruckte, wir alle uns erschreckt umschauten, hinab zum Meer hinter uns, wo im Heckwasser ein aus den Tiefen hervorschießender, riesenhafter Hai unsere Beute zu seiner Abendvesper machte. Ein Biss und mein schöner Blue Marlin war weg. Nur der Kopf, immerhin noch groß wie ein Klavierhocker, hing an den überdimensionalen Haken. Der Restaurantwirt war ganz schön sauer. Er hatte bereits Sitzplatzbestellungen angenommen. Der Skipper fluchte auf mich mit meinem ewigen Fimmel, die Angel nach ?Außenborskameraden? auszuwerfen. Und ich fluchte auch. Denn als Deckshand verdiente ich das Geld, das der Blue Marlin mir an diesem Abend eingebracht hätte, in einem ganzen Monat nicht. Die Geschichte hat leider auch sonst keine Moral, außer vielleicht der: Wenn ich heutzutage plane, neben dem Vergnügen unterm Wind dem des Angelns nachzugehen, frage ich den Vercharteter nach einem Segelboot mit Badeplattform hinten. Dort hätte ich meinen Fang damals sicher und waidmännisch richtig unterbringen und in den Hafen fahren könne. Ihnen auf allen Touren Petri Heil Ihr Robert Fischer