Seinen Schreib-Stil verglich D.H.Lawrence 1927 mit dem Anzünden einer schnellen, intensiven Zigarette. Virginia Woolf bezeichnete ihn im selben Jahr als mutig und frech. Klaus Mann adelte ihn, indem er ihn (in der Neuen Schweizer Rundschau) im Jahre 1931 als einen repräsentativen Dichter unserer Zeit bezeichnete. Und was meint mein Freund Hein? Hein sagt, der Mann sei ein Macho gewesen – aber ein durchaus sympathischer.
Hein sagt, wer die Aufenthalts-Orte Ernest Hemingways auf Kuba besuchen wolle, solle sich beeilen. Wer wisse denn schon, was geschehe in den nächsten Jahren auf der größten der Karibik-Insel, die (noch) die geringste Anzahl an Charteryachten aller karibischen Inseln überhaupt aufweise. Alles sei noch authentisch, teilweise einfach, gar ärmlich, ja, aber man begegne noch oft einem offenen Lächeln, einer außergewöhlichen Hilfsbereitschaft - und einer schier unendlichen Gastfreundschaft. Socialismo o Muerte, klar, das sei die eine Seite der langgezogenen Insel. Doch es gebe auch noch eine andere. Kuba-Entdecker per Boot, die (wie üblich) ab Cienfuegos chartern und ihr Schiff in der Marina Marlin oder der gleich daneben liegenden Marina Alboran übernehmen, sollen unbedingt einige Land-Tage in Havanna einplanen, um diese kennenzulernen, empfiehlt Hein.
Im besten Mannesalter von 40 Jahren bezieht Hemingway in La Habana ein Zimmer im Hotel Ambos Mundos (Beide Welten) an der Kreuzung Calle Obispo / Mercaderes in der Altstadt und beginnt seine Arbeit an Wem die Stunde schlägt, einem Roman über den Spanischen Bürgerkrieg. Das Hotel, ursprünglich das Stadthaus eines reichen Grafen aus dem 18.Jahrhundert, existiert noch heute. Das schmale Zimmer in der fünften Etage mit der Nummer 511 wurde in ein Mini-Museum umgewidmet, das heute täglich zwischen 9 und 17 Uhr gegen eine kleine Gebühr besichtigt werden kann. Doch das Ambos Mundos bietet noch mehr: so kann man sich etwa mit dem musealen Hotel-Fahrkorb weitere zwei Stockwerke in die Höhe chauffieren lassen – und plötzlich hat man vom Restaurant auf der Dachterrasse aus einen imposanten Blick auf das Castillo del Moro auf der gegenüberliegenden Seite von Havanna-Ost, getrennt von der Altstadt nur durch den zum Bahia de la Habana führenden Canal de Entrada.
Von Havannas Altstadt sind es nur 15 Taxi-Kilometer in südöstlicher Richtung bis zu Hemingways Finca Vigia. Im Dezember 1939 kauft Hemingway das Anwesen auf dem Hügel Bacalao in San Francisco de Paula und soll es ab 1940 für 20 Jahre bewohnen. Der Schriftsteller hat sich gerade von seiner zweiten Frau Pauline getrennt und Martha Gellhorn geheiratet. In dem weißen, 1888 fertiggestellten und von neun Hektar Gartenfläche umgebenen Kolonialstil-Gebäude beginnt er im Oktober 1945 mit Arbeiten an Land, See und Luft, einem Roman, aus dem später Über den Fluß und in die Wälder, Der alte Mann und das Meer, Inseln im Strom und Der Garten Eden entstehen. Für die erstmals 1952 in LIFE abgedruckte Novelle Der alte Mann und das Meer erhält Hemingway später den Literatur-Nobelpreis.
Nach dem Tod des Schriftstellers fällt die Finca an die kubanische Regierung. Heute gilt sie als wesentlicher Teil des kulturellen Nationalerbes. Entsprechend gepflegt – und gut bewacht – ist La Finca Vigia, die heute das Museo Ernest Hemingway beherbergt. Als Besucher erhält man den Eindruck, als wäre Papa, der Kuba als sein wahres Zuhause bezeichnete, nur mal eben auf einen Drink ausgegangen. Leider darf das von 9 bis 16 Uhr (sonntags bis 12, bei Regen geschlossen) geöffnete Haus nicht betreten werden. Wer (gegen Gebühr) fotografieren möchte, ist darauf angewiesen, durch die Fenster zu knipsen – und den Augenblick abzupassen, in welchem gerade einmal keine Museums-Angestellte wedelnd, plaudernd oder wischend im Bild steht.
Sie kamen einem ganz und gar nicht als Fischer vor, und dabei gehörten sie zu den allerbesten, schreibt Hemingway in Inseln unter dem Strom. Er schreibt, trinkt und feiert in dem noch heute existierenden Restaurant direkt über der Bucht von Cojimar, ein paar Kilometer östlich von Habana Vieja. Das ehemalige Fischerdorf mit seiner alten Festung versprüht heute den spröden Charme längst vergangener, goldener Tage. In der Calle Real Nummer 161 / Ecke Candelaria erinnern Fotos an den Wänden und ein Sportfischer-Pokal an den spät gefeierten Buchautor, der sich hier gern aufgehalten hat und seinen Blick aus den Fenstern auf die Bucht und das Meer hat schweifen lassen.
Cojimar ist auch Schauplatz des Romans Der alte Mann und das Meer. Hier lag Hemingways Yacht PILAR. An Bord war einer der besten Fischer des Ortes, Gregorio Fuentes. Der Bootsmann des Schriftstellers diente als literarische Vorlage für die Figur des Alten Mannes in dem mit dem Nobelpreis geadelten Werk. Der Sportfischer Hemingway fühlte sich zu den hart arbeitenden Fischern hingezogen und verbrachte viel Zeit mit ihnen. Hein erzählt, dass die Fischer von Cojimar ihrem Freund nach dessen Tod am 2. Juli 1961 ein Denkmal setzen wollten. Die Statue des Schriftstellers sollte in Bronze gegossen werden. Aber Bronze sei wegen der (bis heute andauernden) US-Blockade knapp. Was tun? Die Fischer haben die Schiffsschrauben ihrer Fischerboote angeschleppt, auf dass sie eingeschmolzen werden konnten, sagt Hein. Ob die Geschichte stimmt? Fakt ist, dass ein Jahr nach Hemingways Tod eine Bronzebüste gegenüber der nach dem Dichter benannten Plaza an der Promenade enthüllt wird. Hemingway, den Blick an der alten, halbzerfallenen Festung vorbei aufs weite Meer gerichtet, überwölbt von einem stahlblauen Himmel – und umkränzt von sechs roséfarbenen Säulen.
Heins Lieblings-Hemingway-Ort liegt jedoch woanders. Wer die Calle Obispo in Havannas Altstadt nach Westen in Richtung Capitolio National entlangschlendert, gelangt bei der Nummer 557 / Ecke Ave.de Belgica an den Eingang der Bar El Floridita, neben der Bodeguita del Medio Hemingways Lieblings-Etablissement. Hein behauptet, hier gebe es den besten Daiquiri Havannas. Nun, der Mojito und der Pina Colada munden mit dem sieben Jahre alten, nach der Stadt benannten Rum ebenfalls, da sind wir uns ausnahmsweise mal einig. Und in noch einem Punkt gehen wir zusammen: Bei einem Besuch im El Floridita sollte man sich jedenfalls warm anziehen. Gleich mehrere Klimaanlagen verteilen ihre eisige Luft in der Bar - in Sturmstärke, so scheint es. Hemingway hätte das vermutlich nicht angefochten. Er hätte sich seinen grobgestrickten, blauen Seemanns-Pulli übergezogen. Und sich noch einen Daiqiri bestellt.
Matt.Müncheberg.
info@muencheberg-media.com